Cartagena, Columbien.
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Südlich von Cartagena erstreckt sich eine niedrige, mit Buschwerk be-
wachsene Insel, welche die Nordseite eines flachen Einlaufes, genannt Boca
Grande, bildet, welcher theilweise künstlich zugedämmt ist. Darauf kommt die
Insel Tierra Bomba, die in ihrer Mitte 215 englische Fufs (65 m) Höhe erreicht.
Südlich hiervon ist der schmale tiefe Einlauf zur Bucht von Cartagena, genannt
Boca Chica, woselbst sich eine Lootsenstation befindet. Sind Lootsen anwesend,
so kommen sie in einem Canoe mit der kolumbischen Flagge heraus. Ist kein
Lootse da, und das Schiff segelt auf den Einlauf zu, so kommt auch wohl das
Canoe, aber ohne Flagge, danu muß man wieder abliegen, wenn man nicht ohne
Lootsen einlaufen will, was man auch, wenn man mit einer guten Specialkarte
versehen ist, ohne Gefahr thun kann.
Vom Thurm eines alten Klosters in der Stadt wird ein Drehfeuer und
von einem hölzernen Gerüst auf der Ostseite des Forts St. Fernando, an der
Südküste von Tierra Bomba und nördlich der Boca Chica, ein festes Feuer gezeigt.
Etwa WNW von der Boca Chica in 4 Sm Abstand liegt die Südkante der
gefährlichen Salmedina-Bauk, zwischen welcher und Tierra Bomba ein tiefes
Fahrwasser von nahezu 30 Fad. (55 m) Wasser führt. Eben westlich von Cartagena
findet man bequeme Tiefen von 8 bis 5 Fad., und würde es sich empfehlen, hier
während der Nacht zu ankern, falls man Boca Chica nicht mehr vor Dunkel-
werden erreichen kann, anstatt bei veränderlichen Winden und Strömungen
herum zu treiben. Gewöhnlich setzt die Strömung dicht unter der Küste nach
Norden.
Die Südseite des Boca Chica-Fahrwassers bildet die niedrige Insel Baru
mit vorliegenden Korallenbänken, auf welch letzteren das Fort St. Jose erbaut
ist. Die Bezeichnung des Fahrwassers geschieht durch starke Pfähle von 20 cm
Dicke und 2 bis 3 m Höhe, welche fest in die Korallen und Bänke eingelassen
und verstrebt sind. Oben tragen diese Marken ein Kreuz von Brettern, die
etwa !/a m hoch und 1m lang und so angebracht sind, dafs das eine Brett in
der Richtung des Fahrwassers und das andere quer zu demselben steht. Die-
jenige Hälfte des Kreuzes, welche nach dem Fahrwasser hin zeigt, ist weiß, die
andere schwarz gestrichen, so dafs man leicht sehen kann, wenn man sich der
Kante des Fahrwassers nähert. Das Fahrwasser ist bei Sandy Point an der
Südspitze von Tierra Bomba und im Eingange der Boca Chica nur 1 Kabllg.
breit, macht dann eine kurze Biegung nach NNO am Fort St. Fernando vorbei,
woselbst die Breite nahezu 1!/a Kabllg. beträgt. Jener nördliche Kurs läfst sich
oft mit dem herrschenden Winde nicht besegeln, und muß dann geankert werden.
Gewöhnlich holt man das Schiff am nächsten Morgen vermittels Leinen und
Wurfanker durch die Engen und kann dann mit der Morgenbriese, die oft süd-
lich ist, Cartagena erreichen. Ebbe und Fluth werden in den Engen ziemlich
bemerkbar, obgleich der Gezeitenhub ein sehr geringer ist.
Die Lootsen sind ziemlich zuverlässig. Sie sind Staatsbeamte und be-
kommen nur eine geringe Monatsgage, trotzdem betteln sie nicht, wie es sonst
fast überall geschieht. Der Lootse darf vor Abhaltung der Quarantänevisite das
Schiff nicht verlassen und wird dann durch einen Zollbeamten abgelöst. Diese
Beamten werden jeden Tag gewechselt; auch sie sind bescheiden und fragen
nicht um Geschenke an, man ist jedoch verpflichtet, sie zu beköstigen und ihnen
einen Schlafplatz unter Deck zu gewähren. Eine Proviantliste wird verlangt,
doch werden die Sachen 'nicht nachgesehen, und das Schiff wird nicht durchsucht,
Man hat einen vom columbischen Konsul beglaubigten Gesundheitspafs, ebenso
ein Manifest und eine Faktura der Ladung zur Einklarirung mitzubringen, natür-
lich auch ein Konnossement, was jedoch nicht vom Konsul beglaubigt zu sein
braucht. Ein vom Konsul mitgegebenes versiegeltes Couvert, das an den Inspektor des
Zollhauses adressirt ist, enthält Duplikate der obigen Papiere. Kin Kaufmann,
der seine beglaubigte Faktura nebst Konnossement der Zollbehörde vorzeigt,
erhält ohne Weiteres gegen Bezahlung des Zolles seine Waaren, und kümmern
sich die Herren nicht darum, ob die Fracht bezahlt ist. Hieraus erwachsen den
Dampfschiffsagenten bei den Frachteinkassirungen manche Schwierigkeiten.
Von Cartagena ist eine Eisenbahn nach Calamar am Magdalena-Strom
soeben fertiggestellt und theilweise schon dem Betriebe übergeben worden.
Bisher war hier eine Verbindung vermittelst flachgehender Hinterraddampfer durch
den sogenannten Dique, eine theilweise künstliche Erweiterung eines nach Westen