Van Bebber: Rückblick auf das Wetter in Deutschland im Jahre 1893. 29
einen aufserordentlich hohen Grad erreichte, die grofse Trockenheit in den
Monaten April bis Juni, welche eine für die Landwirthschaft sehr schädliche
Dürreperiode herbeiführte, die Weststürme, welche am 19. Dezember (1892) die
ostdeutsche Küste, sowie die Ost- und Nordoststürme, welche am 22. Februar
und am 19. November!) die ganze deutsche Küste schwer heimsuchten.
Während dem Winter 1891/92 länger anhaltende Frostperioden und eine
länger anhaltende Schneedecke gänzlich fehlten, trug der Winter 1892/93 den
typischen Charakter strenger Winter, ausgezeichnet durch lang anhaltende, vielfach
sehr strenge Kälte und das Vorhandensein einer lang andauernden Schneedecke.
Es erscheint bemerkenswerth, dafs diese grofe Frostperiode auf keinem
Kontinente der nördlichen Hemisphäre, weder in der alten noch in der neuen
Welt in gröfserem Umfange einen Ausgleich hatte, wie es ja bei unseren strengen
Wintern der Fall zu sein pflegt; denn auch in Sibirien sowie in den Vereinigten
Staaten herrschte überall sehr strenge Kälte. Die Frostperiode wurde am
22, Dezember dadurch eingeleitet, dafs die kalte Luft aus Nordosteuropa unter
der Wechselwirkung eines Hochdruckgebietes über Norwegen und einer Depression
über den russischen Ostseeprovinzen in einem breiten lebhaften Strome unseren
Gegenden zugeführt wurde, wobei die Frostgrenze immer weiter westwärts nach
den Westküsten Europas verschoben wurde. Dazu kam noch, dafs am Schlusse des
Dezember sich eine Luftdruckvertheilung herausbildete, wie sie für extrem kalte
Winter charakteristisch ist. Ein ungewöhnlich hohes barometrisches Maximum,
welches zu Kargopol 795,2 mm erreichte, befand sich über Nordeuropa, während
über Südeuropa eine wohl ausgeprägte Depression mit grofser Beständigkeit
lagerte, so dal die eisig kalte Luft aus dem Innern Rukßlands in mächtiger
Strömung unsere Gegenden überfluthete. Zwei Umstände waren es, welche die
strenge Kälte bedingten, nämlich in erster Linie der Lufttransport, in zweiter die
Ausstrahlung, so dafs diese Kälte nur zum Theil als ein echt deutsches Produkt
zu betrachten ist. .
Zu Anfang der zweiten Dekade des Januar trat in Westeuropa ein
Witterungsumschlag ein, der sich allmählich ostwärts fortpflanzte. Schon am
20. Januar wurde das westliche Frankreich frostfrei, . bis zum 23. rückte das
Thauwetter langsam bis zur deutsch-französischen Grenze vor, aber in Deutsch-
Jand vollzog sich der Witterungswechsel in einer so jähen Weise, wie er sehr
selten vorkommt. Zu Berlin stieg die Temperatur vom 24. auf den 25. Januar
von — 14° auf + 2%2°, zu Grünberg von — 16° auf +2° C. ;
Der Monat Februar war im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern im
Mittel ungewöhnlich warm, obgleich es in diesem Monate nicht an starken
Kälterückschlägen fehlte, welche indessen nicht von länger anhaltenden Kälte-
perioden gefolgt waren, so am 4. und am 23. Februar, so dafs also der Winter
1892/93 mit einem nicht unerheblichen Wärmeüberschuß abschlofs, Im Al-
gemeinen waren in diesem Winter die Niederschlagsmenge und die Niederschlags-
häufigkeit zu grofß, ebenso die Häufigkeit des Schneefalls; heitere Tage waren
durchschnittlich vorwiegend im Januar, trübe im Februar. Bei durchschnittlich
nahezu normaler Geschwindigkeit der Luftbewegung fällt ein Ueberschufs der
Winde, mit östlicher Komponente auf den Januar, ein solcher mit westlicher
Komponente auf Dezember und Februar... Bemerkt sei noch die geringe Nebel-
häufigkeit, welche auch während der übrigen Jahreszeiten des Jahres 1893 auf-
fällig war.
‚Am 22, Februar wehten am Südrande eines Nordeuropa überdeckenden
Hochdruckgebietes an der ganzen deutschen Küste stürmische Ost- und Nordost-
winde, welche im. Ostseegebiete vielfach die Stärke eines schweren Sturmes
erreichten,
Während jenseits des Oceans die kalte Witterung fast ununterbrochen
fortdauerte, war der Frühling in unseren Gegenden ungewöhnlich warm und
beständig. Sehr warme Tage waren von sehr kühlen Nächten gefolgt, und daher
waren die Tagesschwankungen der Temperatur sehr beträchtlich. Hervorzuheben
ist die aufserordentlich grofse Trockenheit, welche während des ganzen Früh-
lings allenthalben andauerte und erst mit Ablauf des Monats Juni ihr Ende
erreichte. Diese Trockenheit umfafßste hauptsächlich den gröfsten Theil von
1 Vgl. diese Zeitschrift, Jahrg. 1893, Seite 498 ff.