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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 22 (1894)

Wharton: Die physikalischen Verhältnisse des Meeres. 363 
Ein bemerkenswerther Punkt, der neuerdings durch die Untersuchungen 
des Herrn John Murray in schottischen Lochs aufgedeckt wurde, ist der Ein- 
flufs des Windes auf die Oberflächentemperatur. Es ist beobachtet 
worden, dafs ablandiger Wind das Oberflächenwasser vor sich hertreibt. Dies 
Wasser wird auf dem nächstliegenden Wege ersetzt, d. h. durch Wasser unter- 
halb der Oberfläche, das zum Ersatz aufsteigt. Da die unteren Schichten immer 
kühler als die Oberfläche sind, ist ein Fallen der Temperatur die Folge, und wir 
finden wirklich, dafs in der Nähe aller Seeküsten, wo ein stetiger ablandiger Wind 
weht, das Wasser kühler ist als weiter seewärts. Dies ist von Wichtigkeit für 
das Wachsthum der Korallen und erklärt, warum wir an allen westlichen Küsten 
der grofsen Festländer, wo die Passate wehen, fast einen gänzlichen Mangel an 
Korallen finden, während an den östlichen Küsten, wogegen warme Strömungen 
drängen, ein Ueberflufs von Korallenriffen ist, da das Korallenthier nur in 
solchem Wasser gut gedeiht, das sich oberhalb einer bestimmten Temperatur hält. 
Beobachtungen der Temperatur der Wasserschichten zwischen der 
Oberfläche und dem Boden sind in den letzten Jahren an vielen Stellen ge- 
macht. Verglichen mit der Fläche der Oceane, ist ihre Zahl gering, aber unsere 
Kenntnifs nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die senkrechte Temperaturvertheilung 
ist noch nicht mit Benutzung der gesammten Nachrichten, die wir hierüber be- 
sitzen, gründlich untersucht, aber Dr. Alex. Buchan hat schon seit Langem 
seine Mukßezeit dieser Arbeit gewidmet; es ist ein mühsames Werk, denn es ist 
schwer, die hier und da gemachten, über die ganze Welt zerstreuten Beobach- 
tungen der Schiffe aller seefahrenden Völker zu sammeln und nach ihrem Werthe 
zu beurtheilen; aber es heifst, dafs wir in kurzer Zeit in dem letzten Bande des 
„Challenger“-Werkes die jedenfalls sehr interessanten Resultate erhalten werden, 
Es ist leicht begreiflich, dafs Beobachtungen über die Temperatur in 
grofsen Tiefen grofse Sorgfalt erheischen, Erstens müssen die Thermometer sehr 
sorgfältig angefertigt sein. Sie müssen strengen Proben unterworfen und während 
des Gebrauchs sorgfältig behandelt werden. Die Beobachtungen sind nicht alle 
von gleichem Werth, die kritische Bearbeitung bietet deshalb beträchtliche 
Schwierigkeiten und verlangt viel Takt. Mittlerweile können wir einige bekannte 
Thatsachen angeben, Wir haben gelernt, dafs die Tiefe des warmen Öberflächen- 
wassers gering ist. In dem Aequatorialstrom zwischen Afrika und Süd-Amerika, 
wo die Öberfläche 78° F (25,6° C) aufweist, finden wir in 100 Faden Tiefe nur 
55° F (12,8° C), ein Unterschied von 23° F (13° C), und die Temperatur von 
40° F (44° C) wird bei 400 Faden erreicht. So weit wir wissen, nimmt in 
dieser Gegend die Temperatur mit der Tiefe am schnellsten ab, aber allgemein 
gesprochen herrschen dieselben Aenderungen überall. In dem tropischen Theile 
des Stillen Oceans nimmt die Temperatur von der Oberfläche, 82° F (27,8° CO), 
bis zu einer Tiefe von 200 Faden um 32° F (18° C) ab, während 40° F (44 C) 
in 500 bis 600 Faden Tiefe gefunden werden. Unterhalb der allgemeinen Tiefe 
von 400 bis 600 Faden nimmt die Temperatur sehr langsam ab, aber in dem 
absoluten Betrag herrschen große Abweichungen, wenn wir in verschiedenen 
Theilen des Oceans zu grofsen Tiefen kommen. 
Eine der interessantesten Thatsachen ist die, dafs in abgeschlossenen 
unterseeischen Becken des Oceans die Temperatur des Wassers am 
Boden allem Anschein nach viel höher ist als die Temperatur des Wassers 
in gleicher Tiefe aufserhalb des unterseeischen Rückens, der das Becken 
abschlielst und es von den tieferen Gebieten aufserhalb trennt, und dafs diese 
Bodentemperatur in allen beobachteten Fällen gleich der Temperatur auf dem 
Rücken ist. Hierdurch werden wir in den Stand gesetzt, unsere unvollkommene 
Kenntnils der Tiefen zu ergänzen, denn wenn wir nun in einem gewissen Theile 
des Oceans beobachten, dafs die Temperatur in grofsen Tiefen höher ist als in 
ähnlichen Tiefen und in Gewässern, die anscheinend mit jenen in Verbindung 
stehen, dann können wir sicher sein, dafs ein unterseeischer Rücken vorhanden 
ist, der das Bodenwasser von der Bewegung abschneidet, und dafs die Tiefe 
dieses Rückens dieselbe ist, in der die entsprechende Temperatur in dem 
äufseren Wasser gefunden wurde. Als einen Zusatz nehmen wir ferner an, 
dafs die Bewegung des Wassers in grofsen Tiefen kaum bemerkbar sein kann, 
denn wenn eine Bewegung vorhanden wäre, die wir im gewöhnlichen Sinne des 
Wortes als Strömung bezeichnen könnten, würde dies Wasser unfehlbar einen
	        
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