Pillsbury: Der Golfstrom.
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Durchfährt man den Golfstrom von Gun Cay nach den Fowey-Felsen und
rechnet etwa 2'A4 Knoten pro Stunde für Strom, so wird der behaltene Kurs
ziemlich genau stimmen.
Bei Kap Hatteras soll nach allgemeiner Annahme das Thermometer den
Golfstrom sicher anzeigen und der stärkste Strom mit der höchsten Temperatur
zusammenfallen. Dies entspricht aber nicht den Thatsachen. Das warme Wasser
zeigt nur seinen tropischen Ursprung an und kann mit oder ohne Strömung auf-
ireten.. Das wärmste Wasser südöstlich ‚vom Kap stammt von einer ganz
langsamen Driftströmung aus der Passatgegend aufserhalb: der Westindischen
Inseln her. Der Golfstrom selber fließst zwischen diesem warmen Wasser und
der 100 Faden-Linie, .
Geht man von den Hatteras-Untiefen aus, so findet man den ersten denunt-
lichen Anstieg der Temperatur in der Nähe der 100 Faden-Linie. Etwa 40 Sm
weiter vom Lande weg folgt ein plötzlicher Fall, dann wieder ein Steigen, das,
ungefähr 75 Sm vom Kap entfernt, seinen Höhepunkt erreicht. Der starke Strom
liegt nordwestlich von dem plötzlichen Fall in der Temperatur. Obwohl der
Golfstrom die Tropen ungefähr mit derselben Temperatur verläfst wie das Wasser,
das von aufserhalb der Inseln herkommt, verursachen seine schnellere Bewegung
aud seine kleinen täglichen Aenderungen in der Richtung eine Mischung des
Wassers an der Oberfläche und in der Tiefe, so dafs das Wasser des Golfstromes
zur Zeit, wo Hatteras erreicht wird, kühler ist als das Wasser der viel langsameren
Drift aufserhalb der Inseln. .
Es. ist schwierig, nach dem Thermometer mit Bestimmtheit anzugeben,
wann man die Strömung erreicht hat. Alle Beobachtungen vor Anker und auf
einer Strecke von über 60 Sm von der 100 Faden-Linie deuten an, dafs der Golf-
3atrom hier dieselben regelmäfsigen Gesetze hat wie in der Straße von Florida.
Das heifst, nach der gröfsten Abweichung des Mondes ist der stärkere Strom
breit und erstreckt sich am nächsten nach der 100 Faden-Linie hin, und dann tritt
das erste Ansteigen der Temperatur wahrscheinlich zugleich mit einem Nordost-
strom auf. Nach niedriger Abweichung des Mondes dagegen, wenn die. Achse
schmaler ist, tritt der erste Anstieg der Temperatur mit einer Strömung auf,
die in entgegengesetzter Richtung fließt. Es wird aber vermuthet, dafß dieser
rücklaufende Ast nur schmal ist. . .
Schiffe, die von Häfen im Norden von Kap Hatteras nach Häfen in. der
Strafse von Florida oder im Golf von Mexiko bestimmt sind, gewinnen Zeit,
wenn sie den Golfstroam beim Kap durchsegeln. Rechnet man 1’ Knoten für
jede Stunde Fahrtdauer durch den Strom, so wird der Kurs ziemlich stimmen,
wenn man sich erinnert, dafs der Golfstrom, von der 100 Faden-Linie an gerechnet,
etwa 40 Sm breit ist, und dafs seine äußere Grenze hier der Linie ungefähr
parallel läuft,
‚ Aufserhalb des Golfstromes läfst sich keine Schätzung machen, aber der
Strom ist gewöhnlich sehr schwach auf seinem Kurse nach dem Mantanilla-Riff
(nahe bei der Nordwestecke der Kleinen Bahama-Bank) oder nach Abaco und dem
„Hole in the Wall“. Dampfer, die den ersten Kurs nehmen, laufen am besten
an der Ostseite des Golfstromes entlang bis Gun Cay, falls die nordwestliche
Ecke des grünen Wassers auf dem Riff noch bei Tage umfahren werden: kann,
statt bei Jupiter den Strom zu schneiden und die Breite an der Küste von Florida
abzulaufen. Die Strömung ist an der Bahama-Seite des Kanals schwach und in
der Nähe der Grenze der Untiefe verschwindend gering, aber diese Route bleibt
schwierig bei Nacht, ehe nicht ein Leuchtfeuer auf Mantanilla selbst oder einer
benachbarten Untiefe errichtet worden ist. Kin anderes kleines Feuer auf dem
„Memory Rock“. würde für Segler dieser Route den Vorzug vor der anderen
durch „The Hole in the Wall“ ertheilen.
Wenn man die Westseite der Strafse von Florida abläuft, ist die Strömung
am so schwächer, je näher man sich an der Küste und den Riffen befindet, bis
„The Elbow“ passirt ist; danach ist es nicht mehr nöthig, so dicht an die Riffe
heran zu halten, um den Golfstrom zu meiden,