Börgen: Ueber eine neue Methode, die harmonischen Konstanten abzuleiten, 213
Ueber eine neue Methode, die harmonischen Konstanten der
Gezeiten abzuleiten. .
Von Admiralitätsrath Prof. Dr. BÖRGEN,
Vorstand des Kaiserlichen Observatoriums zu Wilhelmshaven.
Im Nachfolgenden soll eine neue Methode der harmonischen Analyse der
Gezeiten-Beobachtungen entwickelt werden, welche gegenüber dem bisher üblich
yewesenen Verfahren und dessen bisherigen Modifikationen eine sehr erhebliche
Abkürzung der aufzuwendenden Mühe gestattet. Die gegenwärtige Arbeit bildet
daher eine Ergänzung zu der Abhandlung des Verfassers: „Die harmonische
Analyse der Gezeiten-Beobachtungen“, welche sowohl in den „Annalen der Hydro-
graphie“ 1884 als auch getrennt erschienen ist. Diese Abhandlung wird daher
als bekannt vorausgesetzt, und es wird auf dieselbe öfter Bezug genommen werden,
wie sich denn auch die hier gewählten Bezeichnungen im Wesentlichen denen
jener Abhandlung anschliefsen,
Das bisherige Verfahren, die harınonischen Konstanten abzuleiten, läfst sich
im Wesentlichen kurz wie folgt beschreiben. Die für jede Stunde mittlerer
Sonnenzeit geltenden beobachteten Wasserstände werden für jede Tide in besonderer
Weise in ein 24 Vertikalkolumnen enthaltendes Schema eingetragen, derart, dafs
die Mittelwerthe der in derselben Kolumne stehenden Zahlen einer vollen Tide-
stunde (Mondstunde, N-Stunde u, 8. w.) entsprechen, dann stellen diese Mittel-
werthe den Gang der gesuchten Tide in einem Tidetage dar, rein, wenn der
Beobachtungszeitraum grofßs genug war, sonst noch mit kleinen Wirkungen der
anderen Tiden behaftet, und es werden nun aus diesen Mittelwerthen die Kon-
stanten für die betreffende Tide abgeleitet. Dies Verfahren macht daher in seiner
ursprünglichen Form für jede einzelne abzuleitende Tide das Ausschreiben des
gesammten Beobachtungsmaterials in das für dieselbe vorbereitete Schema noth-
wendig, bedingt also .eine ungeheure Summe von rein mechanischer Arbeit,
welche geleistet werden mufs, ehe man zu der Ableitung der Mittelwerthe für die
24 Tidestunden schreiten kann, aus denen sich dann die gesuchten Konstanten
in sehr einfacher Weise ergeben.
Um diese Arbeit zu verringern, sind zwei Methoden zur Anwendung
gekommen, von denen die eine vom Verfasser dieses herrührt und schon seit einer
Reihe von Jahren mit Erfolg benutzt worden ist, während die andere ganz neuer-
dings von Prof. Darwin vorgeschlagen wurde.
Die erste Methode, über welche bisher noch nichts veröffentlicht worden
ist, besteht in Folgendem. Zunächst werden die beobachteten Wasserstände in ein
Schema eingetragen wie es zur Ableitung der Mittelwerthe für die S-Tiden dient,
in welchem also jede Horizontalzeile einen Beobachtungstag darstellt, Für jede
Tide ist nun eine Anzahl Blätter von Pauspapier vorbereitet, auf welchen
schräglaufende Linien gezogen sind, welche, wenn ein solches Blatt auf das ent-
sprechende Blatt des Schemas gelegt wird, durch diejenigen Zahlen gehen, welche
für die einzelnen Tidestunden zu Mittelwerthen vereinigt werden sollen. Man
braucht daher nur diesen Leitlinien zu folgen und die successive durch dieselben
bezeichneten Zahlen zu summiren und durch die Anzahl derselben zu dividiren,
um die gesuchten Mittelwerthe für die einzelnen Tidestunden zu erhalten. Man
kann selbstverständlich dies Verfahren, welches in dieser Form vielfach mit vielem
Erfolg angewendet worden ist, auch insofern umkehren, als man die Leitlinien auf
gewöhnliches starkes Papier aufzeichnet und die Wasserstände auf Pauspapier
schreibt und dieses auf die ersteren legt; dies dürfte manche Vorzüge haben,
namentlich den, dafs die Zahlen, welche beim Durchschimmern durch das Paus-
papier etwas geschwächt erscheinen, deutlicher zu erkennen sind, auch werden
die Blätter mit den Leitlinien, welche ein für allemal gezeichnet und also oft
gebraucht werden, mehr geschont, wenn sie aus starkem Papier bestehen. ‘ Dies
Verfahren ändert an der Methode, wie sie in der erwähnten Abhandlung dar-
gelegt worden ist, gar nichts, es ersetzt nur das wiederholte Ausschreiben der
Beobachtungen durch das mechanische Mittel, die richtige Anordnung derselben
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