Prinz Heinrich der Seefahrer.
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Herr B. Yule Oldham:
Wir unterscheiden zwei wesentliche Daten in der Geschichte der Erforschung
der westafrikanischen Küste unter den Auspicien des Prinzen Heinrich, das
Jahr 1433, als das gefürchtete Kap Bojador umschifft wurde, und das Jahr 1443,
als in der Bai von Arguin bewohnte Inseln entdeckt wurden.
Bis zu dieser Periode hatte Prinz Heinrich mit unerschütterlichem Ent-
schlufs gegen wachsenden Widerstand entlang einer augenscheinlich ungastlichen
Küste seine Unternehmungen fortgesetzt. In dem Augenblick indessen, als’ die
Aussicht auf eine lohnende Handelsthätigkeit erwiesen war, änderte sich dies
plötzlich, laut pries man den Prinzen und in scharfem Wettbewerb suchte man
die Früchte der Entdeckungen zu gewinnen. Selbst Ausländer wurden dadurch
angezogen.
Ungefähr 10 Jahre später lebte in Venedig ein vornehmer junger Mann,
Namens Alvize da Cadamosto, welcher durch einen besonderen Umstand in die
Dienste des Prinzen trat. Gil Janez, Nuno Tristam, Alvaro Fernandez,
welche schon vor ihm Glänzendes geleistet hatten, haben wenig mehr wie die
Erinnerung an ihre Namen und Thaten hinterlassen. Cadamosto indessen
übermachte uns ein dauerndes Denkmal in der Beschreibung seiner Reisen,
welche ein höchst werthvolles Licht auf den Charakter und die Methoden des
Prinzen werfen.
Im Jahre 1454, erzählt er, als er 22 Jahre alt war und schon Reisen im
Mittelmeer und bis nach Flandern gemacht hatte, beschlofs er nach letzterem
Lande zurückzukehren in der Absicht, Reichthümer, Erfahrung und, wenn
möglich, Ruhm zu erwerben. Die Flotte, mit der er segelte, wurde durch einen
Sturm an der portugiesischen Küste, nahe bei Kap St. Vincent, zurückgehalten
zu einer Zeit, als Prinz Heinrich dort in dem Städtchen Riposera lebte, wohin
er sich, wie Cadamosto erzählt, zurückgezogen hatte, um Ruhe für seine Studien
zu finden.
Sobald der Prinz von seiner Ankunft hörte, sandte er seinen Sekretär und
den venetianischen Konsul an Bord mit Proben von Zucker aus Madeira, von
Drachenblut und andern Produkten der Länder, welche unter seiner Leitung ent-
deckt und kolonisirt waren.
Erstaunliche Geschichten wurden von diesen Ländern erzählt, man be-
richtete von dem enormen Gewinn — bis zu 1000 % — welcher dort zu holen
war, und die verlockenden Bedingungen des Prinzen wurden auseinandergesetzt,
nämlich seine Bereitwilligkeit, ein Schiff mit Ausrüstung, ausgenommen die
Ladung, zu liefern, der Gewinn solle gleichmäfsig vertheilt werden, ein Verlust,
wenn solcher vorkäme, würde von ihm allein getragen werden. Hinzugefügt
wurde, dafs der Prinz besonders erfreut sein würde, einen Venetianer für die
Fahrt zu gewinnen, da er überzeugt sei, dals Gewürze gefunden werden würden,
und ferner wisse, daß die Venetianer solche Artikel besser beurtheilen könnten
wie jede andere Nation — eine überraschende Bemerkung, welche offenbar be-
weist, dafs des Prinzen Pläne über die afrikanischen Küsten hinaus die Reich-
thümer des Ostens im Auge hatten.
Cadamosto liels sich durch diese Eröffnungen gewinnen und beschloß,
sein Glück in den neuen Ländern zu versuchen.
Prinz Heinrich war darüber sehr befriedigt und sandte seinen venetia-
nischen Freund, den er während des Winters gastfrei bei sich aufgenommen hatte,
im Frühjahr 1455 mit einer neuen, voll ausgerüsteten Karavele in See.
Es ist hier nicht der Ort, all die interessanten und wunderbaren Dinge,
welche während der Reise gesehen und sorgfältig beschrieben wurden, wiederzu-
geben: Weniges muß genügen.
In Portosanto fand er als Gouverneur Bartholomäus Terestrello, das
Haupt jener Familie, in welche Columbus später hineinheirathete. Auf dieser
Insel und in Madeira erfuhr er von einigen jener Schwierigkeiten, mit denen Prinz
Heinrich bei seinen Kolonisationsversuchen zu kämpfen hatte. Ein Feuer auf
der letzteren, mit welchem man einen freien Platz im Walde hatte herstellen
wollen, hatte sich so reißsend ausgedehnt, dal die Ansiedler in die See flüchten
und dort zwei Tage bis zum Hals im Wasser bleiben mufsten
In der Bai von Arguin fand er ein vom Prinzen Heinrich zum Schutz
geiner auserwählten und angestellten Händler erbautes Fort.