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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 22 (1894)

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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juni 1894. 
Ebenso besitzen wir das Resultat zahlreicher Vermessungen, durch welche 
fast alle Küsten der Erde in Seekarten niedergelegt werden konnten. Karten 
sind nicht ganz so vollkommen, wie manche Leute glauben, aber sie genügen, 
den Seemann zu befähigen, seinen Kurs von einem Punkt nach einem anderen 
mit absoluter Genauigkeit zu richten und alle zu passirenden Gefahren in Rechnung 
zu ziehen. Im Besitz vorzüglicher Präserven brauchen wir Skorbut nicht mehr 
zu fürchten. In der That, die Navigirung ist in unseren Tagen so einfach ge- 
worden, daß Laien zu dem Glauben kommen konnten, irgend ein Thor könne 
jetzt zur See fahren. Die Folge davon ist freilich die, dafs unnöthiger Weise 
jährlich eine gewisse Anzahl von Schiffen verloren geht. 
Zur Zeit des Prinzen Heinrich war absolut nichts von der Navigation be- 
kannt. Gewifs haben die Chinesen und Araber navigirt und Astronomie in 
solchem Mafse studirt, daß sie im Stande waren, in ihrem Theile der Welt lange 
Reisen zu machen und zu wissen, wo sie sich befanden, aber Europa befand sich 
in dem allgemein das „dunkle Zeitalter“ genannten Stadium, als Prinz Heinrich 
auftrat und den Entschlufß falßte, eine Navigationsschule zu gründen und die 
Erforschung des Atlantischen Oceans aufzunehmen, von welchem, wie wir uns 
erinnern müssen, südlich vom Kap Bojador nichts bekannt war. 
Die Seeleute benutzten einen aufserordentlich primitiven Quadranten, und 
man kann sich ihre Bemühungen ausmalen, dieses Instrument auf einen Stern zu 
richten, während das Fahrzeug schwer in der See rollte. Man wundert sich dann 
nicht mehr, dafs sie so oft nicht wulsten, wo sie gewesen waren, und leider gab 
as ja auch noch keinen nautischen Almanach. So ist es erklärlich, dafs diese 
Seefahrer, wenn sie das Mittelmeer verlassen hatten, kaum das Land aus Sicht 
zu laufen wagten. 
Prinz Heinrich arbeitete verschiedene Jahre daran, die unbekannte West- 
küste Afrikas zu erforschen, aber für längere Zeit wagte man sich nicht über 
Kap Bojador hinaus; warum, das habe ich nie verstehen können. 
In Lebensbeschreibungen des Prinzen und anderswo habe ich es ausge- 
sprochen gefunden, dafs dort ein langes Riff so weit hinaus liegen sollte, dafs 
die Seefahrer sich scheuten, es zu umschiffen. Unsere heutige Wissenschaft lehrt 
uns aber, dafs dort nichts der Art ist, dafs Bojador durchaus klar ist, und ich 
hoffe, dafs irgend Jemand uns wird erklären können, warum dieses Kap den 
portugiesischen Seefahrern jener Tage ein solches Hindernifs sein konnte. In- 
dessen allmählich drang man südwärts weiter vor. bis zur Zeit Vasco de Gama’s, 
welcher Indien erreichte, 
Aber die Karten, welche man den Nachfolgern hinterliels, waren, so weit 
wir jetzt zu urtheilen vermögen, nur sehr unvollkommene Führer. Prinz 
Heinrich veranlafßste einen hervorragenden Italiener — Fra Mauro — eine 
grofse Weltkarte anzufertigen; was indessen die nautische Brauchbarkeit betrifft, 
30 würde ich schwerlich meinen Weg danach finden können. Sie geht von der 
Annahme aus, dafs die Welt von einem Kreise begrenzt ist, Kompalspeilungen 
3ind daher unmöglich. Zu dieser Zeit war das Aeulserste, was man kannte, die 
Bucht von Benin. Fra Mauro’s Karte zeigt den Senegal mit zwei Mündungen. 
Der ganze östliche Theil der Karte war von den arabischen Geographen über- 
nommen. 
Diesen unerfreulichen Zustand der Dinge, nahm Prinz Heinrich sich vor 
gründlich zu ordnen. HEr errichtete eine Schule der Navigation, förderte die 
astronomische Arbeit und unterstützte die Fahrten nach dem Süden, bis man 
schließlich das Kap umschiffte. Wie gesagt, er war der Urheber der modernen 
Forschung, der Leiter der Entdeckungsreisen nach der noch unbekannten Welt. 
Dies begründet seinen Ruhm bei der Nachwelt, und unsere Landsleute werden 
immer stolz darauf sein, dafs er ein halber Engländer war, 
Herr Raymond Beazley: 
Ich glaube, dafs das Leben des Prinzen Heinrich des Seefahrers am besten 
als ein Ereignifs in der grofsen Bewegung europäischer Entwickelung betrachtet 
wird, welche ein wenig später solch ungeahnte Wirkungen hervorrief, als der 
Wendepunkt zwischen den Perioden mittelalterlicher und moderner Forschung. 
Durch die Vorwärtsbewegung, welche von dem portugiesischen Prinzen aus- 
ging, kennen wir jetzt fast die ganze Oberfläche unserer Krde, anstatt */za oder
	        
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