Prinz Heinrich der Seefahrer.
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gründlich und mit solch seltener Fähigkeit, dafs Alles zusammenhielt, als er starb.
Der Gang der Entdeckungen blieb unerschüttert. Seinen eigenen Geist hatte er
auf die portugiesische Nation übertragen, und die stolze Höhe des Ruhmes, zu
welcher sich jene Nation während des folgenden Jahrhunderts erhob, verdankte
sie diesem fleckenlosen Prinzen. Dieses, scheint mir, ist sein höchstes Verdienst.
Nicht nur richtete er in seinem Zeitalter den ganzen Strom des.Denkens auf die
Entdeckungen, sondern sein Genius entwickelte Entdeckung und Forschung zu
etwas Dauerndem, so dafs sie ununterbrochen von jenen Tagen bis herab .zu
den unseren Fortschritte machen konnten. Das einsame Vorgebirge von Sagres
ist in Wahrheit der Ausgangspunkt unserer Wissenschaft.
Nach Azurara war der Prinz von grofser Figur, muskulös, stark und
kräftig. Sein von Natur heller Teint war durch fortwährende Arbeit, Wind und
Sonne gedunkelt. Das Manuskript von Azurara enthält ein Miniaturbild von ihm,
welches man für authentisch und für das einzige wahre Portrait hält. Nach der
Trauerbedeckung des Kopfes und dem gestutzten Haar in Verbindung mit dem
Datum der Chronik nimmt man an, dafs es bald nach dem Tode seines unglück-
lichen Bruders Dom Pedro im Jahre 1449 gemalt sei. Aber die Statue über
dem Mittelpfeiler des Seiteneingangs zu der Kirche in Belem bei Lissabon ent-
spricht, denke ich, besser Azurara’s Beschreibung des Prinzen. Sie wurde durch
seinen Grofsneffen König Manuel — den Glücklichen — zum Gedächtnifs des
Grofsonkels errichtet, weil Prinz Heinrich für den Gebrauch der Seeleute die
kleine Kapelle von Restello erbaute, an deren Stelle jetzt König Manuel’s Kirche
von Belem steht.
Prinz Heinrich ruht in einer Kapelle der prächtigen Kathedrale von
Batalha. In der Mitte dieser Kapelle liegen die Gräber seines Vaters und seiner
Mutter, Johanns I. und seiner englischen Königin. Der älteste Bruder, König
Eduard, ruht unter dem Hochaltar. In Reihe liegen die übrigen vier Brüder,
Pedro, Henrique, Joäo und Fernando, der Beständige,
Azurara erzählt uns, dafs der grofse Prinz ein starkes Herz und einen
scharfen Verstand besafs. Er war aufserordentlich ehrgeizig, Grofses zu thun.
Weder Luxus noch Habsucht hatten jemals Macht über ihn, aber er war frei-
gebig in verschwenderischer Weise. Seine Selbstzucht war unübertroffen; alle
seine Tage waren harter Arbeit gewidmet, so dafs er durch unermüdlichen Eifer
erreichte, was Anderen unmöglich erschien. Sein Wissen, die Fülle der Gedanken,
das ausgezeichnete Gedächtnifs, die ruhige Haltung und die gewinnende Sprache
verliehen seinem Auftreten eine besondere Würde. Gewifs, ruft der alte Chronist
aus, wülßte ich keinen Prinzen, der ihm verglichen werden könnte.
Wenn es der Ruhm Englands ist, sagt Herr Major, dafs dank seinen
maritimen Unternehmungen die Sonne niemals in seinen Besitzungen untergeht,
30 mag es Engländern erlaubt sein, mit Genugthuung sich der Thatsache zu er-
innern, dafs derjenige, welcher die Wege zu solchem Ruhm eröffnete, der Sohn
einer englischen Prinze[ls war.
Sein Vater war der gröfste König, welcher je auf dem Throne Portugals
saß. Er selbst war ein durchaus loyaler und patriotischer Portugiese, und alle
hier Anwesenden, dessen bin ich sicher, sind einig in dem Wunsche, ihre Sympathie
auszudrücken Sr. Majestät dem Könige und der portugiesischen Nation zu der
Feier des Lebenswerkes ihres berühmtesten Angehörigen.“
Kapt. z. S. W. J. L. Wharton, Hydrographer to the Admiralty, sprach
etwa Folgendes:
Es ist selbst Seeleuten nicht leicht, sich in die Lage der Seefahrer zur
Zeit des Prinzen Heinrich hineinzudenken. Heutzutage haben Mathematiker
und Astronomen die Lage der verschiedenen Himmelskörper festgestellt, ihre Um-
laufszeiten berechnet und Tafeln gegeben, welche die Position dieser Körper für
jede Sekunde des Jahres zeigen, Die Mathematiker und Mechaniker haben für
uns Instrumente konstruirt, mit denen wir die Himmelskörper beobachten können.
Die Uhrmacher versehen uns mit vollkommenen oder nahezu vollkommenen
Uhren, welche uns die Zeit oder, in andern Worten, die Länge geben. Wir haben
beinahe vollkommene Kompasse, welche es ermöglichen, in irgend einer beliebigen
Richtung zu steuern, wir kennen die Abweichungen oder die Deklination der
Magnetnadel in verschiedenen Theilen der Welt,