202 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juni 1894.
Heinrich verdiente sich die Sporen durch scine Tapferkeit bei der Einnahme von
Ceuta. Wenige Jahre später entwickelte sich in seinem Geiste die grofse Auf-
yabe seines Lebens: die Vervollkommnung der nautischen Wissenschaften und
die Entdeckung der unbekannten Küsten Afrikas, wobei der Seeweg nach Indien
gefunden werden könnte.
Diesem patriotischen Ziele zu Liebe verzichtete er auf jedes Vergnügen,
auf all die angenehmen Beziehungen seiner hohen Stellung und richtete seinen
dauernden Aufenthalt so nahe wie möglich seinem Werke ein. Dazu erwählte
ar die kleine Halbinsel 3 Sm südöstlich von Kap St. Vincent — das Sacrum
Promontorium — so genannt nach dem kreisförmigen Druiden-Tempel, wo nach
dem Glauben der alten Iberier die Götter sich nachts versammelten. Daher der
Name »Sagres« für das anliegende Vorgebirge, wo die felsige Oberfläche mit
Ausnahme weniger Wachholder keine Spur von Vegetation aufwies, welche den
traurigen Eindruck des Flugsandes hätte verwischen können.
Landwärts wehten beständig Nordwestwinde, drei Viertel des Horizonts
waren von den mächtigen und geheimnifsvollen Gewässern des bis dahin noch
anerforschten Atlantischen Oceans begrenzt.
Wenn wir, wie Herr Major sagt, von der Höhe unseres gegenwärtigen
Wissens aus jene glänzenden Routen über die Oceane verfolgen, welche zu der
Entdeckung mächtiger Kontinente geführt haben, so werden wir finden, dafs sie
ans alle zu demselben ungastlichen Kap Sagres und seinem königlichen Bewohner
zurückführen. Den Seeweg zu den Schätzen Arabiens und Indiens zu finden,
derzeit nur durch ein schwaches Echo einer nahezu vergessenen Tradition bekannt,
war eines der Hauptziele, denen Prinz Heinrich sein Leben widmete. Das Ziel,
welches er sich so gesteckt hatte, lag in unbekannter Entfernung, es mulste er-
reicht werden unter Gefahren, welche als unübersteigbar galten, und zwar mit so
angenügenden Mitteln, dafs aufsergewöhnlicher Muth, Studium und Beharrlichkeit
erforderlich wurden.
Die wissenschaftlichen und praktischen Hülfsmittel, welche die Entdeckung
einer halben Welt ermöglichen sollten, harrten noch ihrer Vervollkommnung.
Aber mit solch’ grofsen Plänen vor sich sammelte Prinz Heinrich alle Informationen,
welche die alte Geographie gewähren konnte, unermüdlich widmete er sich dem
Studium der Mathematik, Navigation und Kartographie, hochsinnig und mit fürst-
licher Freigebigkeit gewann und unterstützte er die Mitarbeit der kühnsten und
geschicktesten Seefahrer aller Länder. Auch richtete er ein Observatorium und
eine Navigationsschule in Sagres ein, letztere unter Jacome von Majorca,
Die platte Karte und der Kompafs waren schon bekannt; aber ich neige
mich der Ansicht zu, daß der erste Gebrauch astronomischer Instrumente auf See
den Seeleuten des Prinzen Heinrich zugeschrieben werden muß. Diego Gomez
erwähnt, wie er einen Quadranten benutzt habe. Durch die Freundlichkeit des
Kustos von Merton haben wir heute Abend drei sehr interessante Instrumente
hier, welche jenem Colleg gehören. Eines derselben ist ein Astrolabium des
14. Jahrhunderts, so dal wir in der Lage sind, genau solch ein Instrument zu
prüfen, wie es zur Zeit des Prinzen Heinrich in Gebrauch war. Ebenso können
wir Ihnen einen Plan des Kap Sagres nach der Zeichnung in Herrn Majors Buch
vorführen. Die alten Gebäude, die »Villa do Infante«, aus der Zeit des Prinzen, sind,
glaube ich, im Erdbeben von 1742 zerstört, aber die Lage des Observatoriums
ist erkennbar. Das Denkmal des Prinzen wurde 1840 innerhalb des Forts
errichtet.
Prinz Heinrich wurde 1419 von seinem Vater zum Gouverneur yon Algarve
und zum Grofsmeister des Christus-Ordens ernannt, welcher als direkter Nach-
folger des Ordens der Templer der älteste Orden der Christenheit ist. Nur
dadurch, dafs die grofsen Reichthümer dieses Ordens zu seiner Verfügung standen
war es ihm möglich, eine Entdeckungs-Expedition nach der anderen auszusenden.
Das Kreuz des Christus-Ordens mufs daher stets ein besonderes Interesse bei den
Seeleuten erwecken. Prinz Heinrich, Vasco de Gama und andere große portu-
giesische Entdecker trugen es beständig. 1442 wurde Prinz Heinrich zum »Knight
of the Garter« ernannt.
Als Prinz Heinrich am 13. November 1460 zu Sagres starb, hatte er treu
und unermüdlich nahezu 40 Jahre an seinem ruhmreichen Werke gearbeitet. Sein
Motto war: »Talant de bien faire« und er hatte sein Werk so gut gethan, so