Der grofse Sturm vom 7. bis 12, Februar 1894 an der deutschen Küste. 95
und an anderen Plätzen sind viele Fahrzeuge in die Tiefe gegangen. An den
mit Stauholz, Planken und anderen fortgeschwemmten Sachen bedeckten Ufern
waren die Geschäftsleute der Wasserkante eifrig bemüht, ihre Jollen, die von
größeren Schiffen sehr leicht zerdrückt werden konnten, in Sicherheit zu bringen,
Sehr arge Verwüstungen hat der Sturm zwischen den Seeschiffen angerichtet,
Am Kirchenpauerquai ist der deutsche Dreimastschoner „Johann Adolph“ ge-
kentert. Dem Wachtmann gelang es, sich nebst einer Katze und einem Hunde
zu retten. Die an Steinwärder liegende Bark „Taurus“ hatte heute Morgen die
Nothflagge gehifst. Das Schiff holte so stark über, dafs sein Kentern jeden
Augenblick zu erwarten war. Die englische Bark „Chipperkyle“ hat sich, dem
Winde nachgebend, im Hansahafen auf „Lady Palmerston“ und „Amphitrite“
gelegt. Zwei Oberländer Kähne sind hierdurch gesunken. Stark bedrängt ist
die Bark „Powys Castle“, Die norwegische Bark „Medbör“ hat den Besanmast
verloren. Drei Dampfer‘ von Kirsten sind hier ins Treiben gerathen. Im Kirchen-
pauerhafen kollidirte der norwegische Dreimastschoner „Victoria“ mit dem
deutschen Schiff „Panama“, wobei letzterem das Vordergeschirr zerstört worden
ist. Der Viermastschoner „Galgate“ lag quer im Segelschiffhafen und sperrte
die Passage. Die Bark „Potrimpos“ konnte am Vormittag zum Verholen keine
Schlepper. bekommen, da die Inhaber der Bugsirgeschäfte ihre Dampfer nicht
dem Ungewissen preisgeben wollten. Von Blohm & Vofs’ Werfte ist ein Theil
der Zollpallisaden fortgetrieben, das Holzwerk wurde in beschädigtem Zustande
am Johannisbollwerk festgelegt. Die Fahrt über den Strom war fast mit Lebens-
gefahr verknüpft, weil der starke Wind die Dampfer gleich Nufsschalen hin- und
herwarf. Das im Segelschiffhafen an den Pfählen vertäut liegende Hamburger
Vollschiff „Preufsen“ wurde nachmittags um 1%4 Uhr losgerissen und trieb gegen
einen am Asiaquai stehenden 50 Centner-Krahn. Durch den furchtbaren Anprall
wurde der Krahn umgeworfen und zertrümmert, sowie eine aus Wellblech ge-
fertigte lange Schuppenthür gänzlich zerstört.
Hochwasser und Wellen richteten an den Bollwerken des Elbufers zwischen
Hamburg und Blankenese und weiterhin vielen Schaden an.
Eine Aufzählung der vielen Verwüstungen auf dem festen Lande würde
hier zu weit führen. Unzählige Dächer und nicht wenige ganze Gebäude fielen
in Norddeutschland dem Sturm zum Opfer, wobei eine erhebliche Anzahl Menschen
getödtet oder verwundet wurden. Als Beispiele wollen wir nur die uns bekannt
gewordenen Brüche an Kirchthürmen anführen: In Altona wurde gegen 2*p
die Spitze des Thurmes der Johanniskirche abgeworfen und schlug durch Dach
und Gewölbe in’s Schiff nieder; dasselbe geschah in Oldesloe mit einem Eck-
thürmchen des Kirchthurms; von der Thomaskirche in Billwärder bei Hamburg,
der Kirche von Klütz in Mecklenburg und der Jakobikirche in Stettin wurden
die Thurmspitzen herabgestürzt, ohne indessen das Kirchendach zu durchschlagen;
in Stettin demolirte sie den Dachreiter und erschlug den Kirchenrendanten.
Der durch den mehrtägigen Sturm angerichtete Schaden in Berlin und
nächster Umgebung beträgt nach ungefährer Schätzung weit über 100000 Mark. Die
Reparaturen des Stettiner Bahnhofs wurden auf ca. 9000 Mark, jene des Bahnhofs
Stralau-Rummelsburg auf 2400 Mark geschätzt. Von den 20000 Häusern der
Reichshauptstadt haben etwa 600 gröfsere Beschädigungen davongetragen; an
mehr als 10000 Gebäuden sind Ausbesserungen nothwendig geworden. Unter
andern sind uicht weniger als 40 Schornsteine eingestürzt; durch von dem Sturm
eingedrückte Schaufenster- und Transparentscheiben ist hiesigen Glasversiche-
rungen allein ein pekuniärer Schaden von über 8000 Mark erwachsen. Sehr ge-
schädigt ist auch die Oberpostdirektion, denn im Telephonbetriebe Berlins waren
in den Sturmtagen allein 1100 Leitungen gestört. — An Menschenleben sind
durch den Sturm — nach den bis ca 20. Februar eingelaufenen Meldungen —
im Deutschen Reiche 21 zu beklagen, etwa 450 Personen sind leichter oder
schwerer verletzt worden. .
Gewaltig sind die Verwüstungen, welche der Sturm am 12. in Wäldern und
Gärten Norddeutschlands angerichtet hat. In den Umgegenden von Hamburg, z.B. im
Sachsenwalde, den Harburger Waldungen, dem Borsteler Gehölz, wie im Düstern-
brooker Gehölz bei Kiel und an vielen andern Orten sind Tausende von schönen
Stämmen theils geworfen, theils gebrochen. Wie gewöhnlich bei Winterstürmen,
hat vorzugsweise das Nadelholz gelitten, doch sind z. B. im Sachsenwalde auch