Ann. d. Hydr. ete., XXI. Jahrg. (1894), Heft I.
Die Temperatur des fliefsenden Wassers zur Zeit der Eisbildung.
Von Wasserbau-Inspektor J, F. BUBENDEY in Hamburg.
Einer Anregung der Direktion der Deutschen Seewarte Folge gebend,
befaßfste ich mich im Winter 1891/92 mit Beobachtungen über das Verhalten der
Temperatur des fliefsenden Wassers zur Zeit der Eisbildung, Jene Anregung ent-
sprang aus den von Kapt. H. Meyer, Hülfsarbeiter der Deutschen Seewarte,
angestellten Beobachtungen „Ueber Grundeis‘“, die in den „Annalen der Hydro-
graphie und Maritimen Meteorologie“, Heft IV (April), 1891, veröffentlicht sind.
Die noch wenig aufgeklärte, weil noch selten in wissenschaftlicher Weise
beobachtete und untersuchte Erscheinung der Grundeisbildung ‘ in flielsenden
Gewässern ist, wie die oben genannte Arbeit des Kapt. H. Meyer und deren im
Septemberhefte 1892 derselben Zeitschrift veröffentlichte Forisetzung in über-
zeugender Weise feststellen, in erster Linie — vielleicht sogar ausschließlich —
dadurch bedingt, dafs die Temperatur. des. gesammten Wassers auf 0° sinkt.
Eine solche, von der Oberfläche bis zur Sohle des fliefsenden Wassers reichende
gleichmäßige Durchkältung bis auf 0° kann bei ruhigen, stehenden Gewässern
im Allgemeinen nicht eintreten, weil das Wasser bei -} 4° die größte Dichtig-
keit hat. Diesen Unterschied hatte man bis dahin fast ganz unbeachtet gelassen.
Die folgenden Beobachtungen, die im Januar und Februar 1892 im tiefen
Fahrwasser der Norder-Elbe bei den Pontons der Passagierhallen am Ufer des
Grofsen Grasbrooks vorgenommen wurden, mögen einen ferneren kleinen Beitrag
zur Erklärung des Verhaltens der Wassertemperatur bei Frost und Eisbildung
und der damit zusammenhängenden Erscheinungen liefern.
Die Aufgabe der Beobachtungen war, gleichzeitig die Temperaturen des
Elbwassers in der Nähe der Wasseroberfläche und dicht über der Flufssohle zu
bestimmen, unter Feststellung der Verhältnisse, die die Wassertemperatur bedingen
und beinflussen. In erster Linie kommt hierbei die mittlere Temperatur der Luft
in Betracht, sodann sind die besonderen Witterungserscheinungen, die Windrichtung,
die höchsten und niedrigsten Wasserstände des der Ebbe und Fluth unterworfenen
Stromes und seine Eisverhältnisse zu beachten. .
Die Messung der Wassertemperatur mufste, da ers sich um die Bestimmung
sehr kleiner Temperaturunterschiede handelte, mit gröfster Sorgfalt und mit mög-
lichst genauen Instrumenten geschehen. Die beiden zu den Messungen verwendeten
Thermometer wurden von der Firma Krüss in Hamburg bezogen. Sie waren in
Zehntelgrade Reaumur getheilt. Die Theilung erstreckte sich von — 5,6° bezw.
—44° bis +4°, und gestattete das Ablesen von hundertstel Graden,
Diese Thermometer waren derart in das Wasser einzuhängen, dafs ihre
Angaben von allen äufseren, ablenkenden Einflüssen befreit waren. Da sie bei
jeder Ablesung aus dem Wasser herausgeholt werden mufsten, so handelte es sich
darum, den Einfluß, den die Lufttemperatur und die Verdunstung des anhaftenden
Wassers auf den Thermometerstand ausüben, während der kurzen Zeit der Ab-
lesung zu verhindern. Zu dem Zwecke wurden die Thermometer in durchsichtige
Wasserflaschen gesteckt und geeignet darin befestigt. Die Flaschen wurden bei
den Vorversuchen mit einer Salzlösung oder mit reinem Alkohol gefüllt, um ein
Gefrieren der Füllung zu vermeiden. Im Laufe der Versuche ergab sich jedoch,
dafs das Einfrieren der Flaschenfüllung nicht zu befürchten sei. Die Flaschen
wurden deshalb später mit gewöhnlichem Elbwasser gefüllt. Das hatte noch den
Vortheil, dafs die Flaschen nicht dicht geschlossen zu werden brauchten, dafs ihr
Inhalt also mit dem äußeren Wasser des Stromes in Berührung blieb.
Die Vorversuche ergaben, dafs der Quecksilberstand der Thermometer,
nachdem die Flaschen aus dem Wasser geholt waren, sich nur äufserst langsam