Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Februar 1893.
Die marokkanischen Häfen Casablanca und Mogador.
’Aus dem Reisebericht S. M. S. „Gneisenau‘, Kommandant Korv,-Kapt. STUBENRAUCH.)
Casablanca. Wie ich schon in meinem Reisebericht gemeldet, ankerte
ich am 81. Oktober 1892 um 8a auf der Rhede von Casablanca. Von dem am
Tage vorher wehenden Westsüdweststurm war So hohe Dünung aufgekommen,
daßs ein Passiren des Fallreeps kaum zu bewerkstelligen war, und während des
ganzen Aufenthaltes wurde daher der Weg über die Heckleiter genommen.
Nachdem der Konsul an Bord gekommen, theilte er mir mit, dafs es
Gebrauch sei, mich am Wasser zu empfangen, und verabredeten wir die Zeit
12 Uhr. Ich fuhr daher um diese Zeit an Land, und ging die Landung trotz der
hohen Dünung gut von Statten, da meine Gig ein gutes Seeboot ist und die west-
liche Dünung nicht direkt auf den Strand lief, sondern durch das vorspringende
Kap Dar el Baida und vorliegende Riffe abgeschwächt wurde.
Ueber Lage und Verhältnisse der Stadt berichte ich ebenmälfsig:
Die Stadt selbst ist mit einer ungefähr 10 m hohen Mauer, an jeder Ecke
mit einem Thurm umgeben, in welch Letzterem einzelne alte Geschütze aufgestellt.
In der Nähe des Wasserthores war eine Reihe Geschütze, anscheinend alle
glatte 12- und 24pfündige aufgestellt, aus welchen der Salut gefeuert wurde. Die
Mauern selbst sind aus Feldsteinen mit viel Lehm gebaut und danach abgeputzt
und gekalkt, bieten daher gar keinen Widerstand, sollen auch nur gegen herum-
ireibendes Gesindel schützen, welches aber selten vorhanden, wie überhaupt die
Sicherheit der Europäer eine vollständige sein soll.
Casablanca ist echt orientalisch gebaut mit engen Strafsen, welche bis auf
eine zum Konsul, welche dieser pflastern liefs, nicht gepflastert sind und daher
besonders bei Regen, einen bedeutenden Schmutz hervorbringen, Die Europäer
wohnen mit Mauren und Juden untereinander; trotz dieses unappetitlichen Zu-
sammenlebens ist der Gesundheitszustand dank dem vorzüglichen Klima ein
sehr guter.
Eigene Häuser sind nicht zu haben, sondern es werden dieselben von der
Regierung gebaut, den Europäern überlassen und von ihnen hierfür 6 pCt. des
Bauwerthes eingezogen. Im SW der Stadt ist ein neues Terrain hierfür aus-
gelegt und bereits mit einer Mauer umgeben, und wird hierdurch für die Europäer
eine grofse Annehmlichkeit geschaffen.
Die Umgebung von Casablanca scheint sehr fruchtbar, und soll dies nach
dem Innern zu bedeutend zunehmen. Auf einem kurzen Ritt durch die Um-
gegend bemerkte ich vorzügliche Wiesen und auch beackerten Boden, der recht
fruchtbar aussah. Im Allgemeinen aber erhielt ich den Eindruck, dal hier vor
einiger Zeit eine bessere Kultur geherrscht. So waren z. B. die Wiesen mit
künstlichen Gräben und Furchen durchzogen, die aber, seit Jahren verfallen,
ihren Zweck nicht mehr erfüllten, ferner Felder, die entschieden bebaut gewesen
waren, aber schon seit Jahren brach lagen. Meine Nachfragen ergaben, dafs ich
richtig beobachtet. Das Land bringt gröfstentheils Hülsenfrüchte hervor, welche
auch den hauptsächlichsten Exportartikel bilden. In der nächsten Umgebung
schon ist eine recht gute Bekassinen- sowie überhaupt niedere Jagd.
Die deutsche Kolonie ist verhältnilsmäfsig zahlreich; die beiden Häuser
‚on Ficke und Brand sind die wichtigsten.
Der Handel und besonders der deutsche nimmt jährlich zu, und Casablanca
geht wieder einer besseren Zukunft entgegen,
Das Ansteuern ist leicht, da sich die Stadt mit ihrer weißen Ringmauer,
ihren Thürmen und weißen Häusern schon von Weitem gut markirt. Beim
Näherkommen tritt auch Kap Dar el Beida gut hervor, während der Leucht-
thurm, welcher nur aus einer Laterne mit eisernem Dreibein besteht, auch in der
Nähe schwer aufgefunden werden kann. Derselbe steht auf dem platten Dache
eines Hauses am Anlegeplatz, ungefähr 100 m SO vom Wasserthor, in der Mitte
der Stadt. Das in der Segelanweisung erwähnte englische Konsulat liegt fast in
Deckung NO von einem neuerbauten, viereckigen, grofsen Aussichtsthurm, dem
spanischen Konsulat, und ist dadurch kenntlich, dafs es allein roth angestrichen.