Dinklage: Treibeis in südlichen Breiten.
I August 17. bis 19. Die Schonerbrigg „Crossowen‘“, von den Falkland-
Inseln nach London, passirte von 42° S-Br und 38° W-Lg an auf einer Strecke
von 150 Sm zwischen vielen grofsen Eisbergen hindurch, welche eine Höhe von
90 bis 150 m hatten und ostwärts trieben.
August 26. bis 30. „Auf unserer letzten Rückreise von Iquique nach
Hamburg“, schreibt Kapt. C. Ohlsen vom Schiffe „Argo“, „wurden wir, nachdem
Kap Horn am 14. August 1892 passirt worden war, durch anhaltende hoch nörd-
liche Winde zu einem von der Mittelroute abweichenden östlichen Kurse ge-
nöthigt, so dafs 55° S-Br in 52,3° W-Lg und 50° S-Br in 40,9° W-Lg geschnitten
wurde. Ich that dies ohne grofse Furcht vor Eis, da es ja im südlichen Winter
war und nach meiner Meinung die Eisgefahr dann am kleinsten sein sollte. Es
kam denn auch südlich von 50° S-Br trotz scharfen Ausgucks nichts in Sicht,
und ich ließ deshalb noch am 25. August auf etwa 47° S-Br und 38° W-Lg das
Schiff mit stürmischem Nordwinde ruhig nach Ost laufen. Am Mittage des
26. August befanden wir uns auf 47,1° S-Br und 36,3° W-Lg. Um 3!/ Uhr nach-
mittags, nachdem wir mit stürmischem WNW-Winde 24 Sm nach rw. N 26° 0
zurückgelegt hatten, wurden wir im NW einen Eisberg oder vielmehr eine Eis-
insel gewahr. Wir passirten dieselbe an der Ostseite in 8 bis 10 Sm Abstand;
ich schätzte die Höhe auf mindestens 80m und die Länge der uns zugekehrten
Seite auf 2 bis 3 Sm.
„Die folgende Nacht war sehr finster. Es wehte stürmisch aus WNW, mit
heftigen Hagel- und Schneeschauern; wir liefsen das Schiff mit voller Fahrt
laufen und hielten nach Möglichkeit scharfen Ausguck, wurden aber glücklicher-
weise kein Eis gewahr. Auch am darauf folgenden Morgen war kein Eis zu
sehen. Mittags den 27. August war der Schiffsort 45,2° S-Br und 34,5° W-Lg.
Nachmittags lief der Wind auf WSW, mit steifen Hagelböen und grober brechen-
der See; wir steuerten NzO, um die Eisgrenze auf kürzestem Wege zu erreichen.
„Der stürmische Wind aus WSW bis SW hielt während der Nacht an; die
Luft war, aufser in den‘Böen, nicht unsichtig, aber meistens bedeckt, und nur ab
und zu wurden einige Sterne sichtbar. Morgens, am 28. August, als der Tag zu
grauen begann, sahen wir uns zu unserer Ueberraschung gänzlich von Eisbergen
umgeben. Die Anzahl derselben war so grofs, dafs es unmöglich war, sie zu
zählen; vier bis fünf waren grofse Inseln mit steilen Kanten und tafelplatter
Überseite und von mindestens S0 bis 100 m Höhe, außerdem waren noch wenig-
stens 50 kleinere Berge von den verschiedensten Größen und Höhen vorhanden.
Im Westen von uns schienen die Berge nicht so dicht zu treiben, doch von Nord
durch. NO und Ost bis SO war kein Ende darin zu sehen. Die Sonne beleuch-
tete grell die kolossalen Eismassen. Der Wind lief um auf SSW, mit anhaltenden
heftigen Hagelböen wehend. Wir hatten ihn also recht von hinten. Umkehren
konnten wir nicht, denn bei dem Winde hätten wir beidrehen müssen und wären
auf das Eis zugetrieben; es blieb uns nichts übrig, als auf gut Glück in dasselbe
hineinzusteuern, hoffend, irgend wo einen Ausweg zu finden. Wir steckten das
Reff in die Fock und lotsten das Schiff nun mit einer auf 5 bis 6 Knoten ver-
minderten Fahrt auf den verschiedensten Kursen zwischen NW und NO zwischen
den KEiskolossen hindurch. Grauenhaft war es anzuseben, wie die hohe See sich
an der Luvseite der Berge brach und, von dem stürmischen Winde getrieben, bis
zur Spitze an denselben hinaufrollte. Einige von ihnen rauchten von Gischt und
Wasserdampf, als wenn es Vulkane wären. Am gefährlichsten waren die kleinen
Stücke und Schollen, welche an der Leeseite der grofsen trieben und mitunter
die Gestalt eines gekenterten Schiffes hatten. Wir passirten mehrere derselben
dicht längsseits. Wir hatten zwei Mann auf der Marsraa zum Ausguck und
mufsten nach deren Rufen vor den kleineren Stücken anluven oder abhalten,
denn von Deck aus waren Letztere wegen der hohen, brechenden See unmöglich
zu sehen. Glücklicherweise wurden die dunklen Hagelböen seltener, doch schien
die Sonne, während wir uns in der dichtesten Eismasse befanden, recht grell, was
den Ausguck ebenfalls sehr erschwerte. Wir kamen aber glücklich hindurch und
hatten um 11 Uhr vormittags den dichtesten Theil der Trift hinter uns. Wäre
es eine halbe Stunde später Tag geworden, so wären wir wohl schwerlich von
einer Kollision verschont geblieben. Mittags war unser Schiffsort 43,2° S-Br
und 34,0° W-Le.
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