Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Februar 1893,
33,7° W-Lg nach 40,4° S-Br und 26,7° W-Lg fortwährend im dichten Eise. Das Schiff
„Flotow‘“ hatte auf der Reise von Buenos Aires nach Sydney am 3., 4. und 5. Sep-
tember, während es eine Strecke von 350 Sm, von 39,0° S Br und 29,4° W-Lg
bis 40,8° S-Br und 22,0° W-Lg zurücklegte, stets 70 bis 80 und mitunter bis zu
200 Eisberge gleichzeitig in Sicht, Aus diesen Berichten ergiebt sich, dafs im
September und zu Anfang Oktober das Meer zwischen 44° und 40° S-Br und
nördlich über letzteren Parallel hinaus und zwischen 34° und 22° W-Lpg, also in
einer Längenausdehnung von etwa 550 Sm mit Eisbergen und abgebröckelten Kis-
stücken völlig übersät war. Besonders die Letzteren waren, da sie viel weniger
jeicht zu erkennen und deshalb auch so viel schwieriger zu vermeiden sind als
lie grofsen, hoch aus dem Wasser ragenden Berge, den Schiffen äufserst ge-
fährlich. „Flotow“ und „Aeolus“ hatten glücklicherweise klares Wetter und
hellen Mondschein, so dafs sie, wenn auch nur unter Anwendung grofer Vorsicht,
unbeschädigt hindurchgelangten. Andere Mitsegler, welche das Eis so dicht
fanden, dafs keine Durchfahrt möglich war, erkannten die Gefahr früh genug,
am noch umkehren und das Eisgebiet umfahren zu können. Aber für ein Schiff,
welches bei nebeligem Wetter oder in dunkler Nacht und vielleicht vor stür-
mischem Winde lenzend hineingerieth, war es fast der sichere Untergang. Es
ist denn auch nur allzu wahrscheinlich, dafs verschiedene Schiffe, darunter auch
deutsche, welche im letztverflossenen Jahre auf Reisen rund Kap Horn nach
Europa und von der Ostküste Südamerikas nach dem Indischen Ocean verschollen
sind, in dieser Eistrift mit Mann und Maus ihr jähes Ende gefunden haben. Viel-
leicht hätten einige dieser beklagenswerthen Verluste vermieden werden können,
wenn die Führer der Schiffe von den in den Zeitungen und in diesen Annalen
veröffentlichten Berichten und Warnungen vor Antritt der Reise durch ihre
Rheder in Kenntnifs gesetzt worden wären.
Es ist gewiß zum Erstaunen, dafs dieses Eis sich in einer verhältnifsmäfsig
3o niedrigen Breite eine so lange Zeit — so weit die Meldungen reichen, volle
sieben Monate — hat erhalten können; aber die Thatsache wird erklärlich, wenn
man bedenkt, welche ungeheueren Massen diese Eisberge darstellen. Erscheinen
zinige Angaben über die Höhe derselben von 200 m und mehr auch vielleicht
übertrieben, so sind die Ergebnisse wirklicher Messungen, welche in den Be-
richten der Kapitäne verschiedentlich mitgetheilt worden sind, doch als richtig
anzuerkennen, und aus diesen geht hervor, dafs Höhen von 100m und darüber
nicht selten vorkamen. Rechnet man nun die Höhe des eingetauchten Theiles,
wegen der geringeren Dichte und Schwere des Eises über Wasser, zu nur dem
Sechsfachen der Höhe des aus dem Wasser ragenden Theiles, so ergiebt sich
immerhin für einen solchen Eisblock eine Dicke von 700 bis 800 m. Dabei wird
die Länge der Berge öfters zu einer oder mehreren Seemeilen angegeben. Kapt.
J. Breckwoldt vom Schiffe „Marianna‘ sah am 8. August in 48,7° S-Br und
12° W-Lg in einem ausgedehnten Eisfelde mehrere Eisinseln treiben, deren Höhe
er zu 200m schätzte und die eine Länge von 8 bis 10 Sm hatten; das sind Ko-
losse, deren Kubikinhalt den der Insel Helgoland vielhundertfach übertrifft.
Die gegenwärtigen Südsommermonate dürfte indessen die Hauptmasse
des Eises, welche im September und Oktober zwischen 44° und 40° S-Br ange-
troffen wurde, wohl kaum überdauern. Es treibt in einem Wasser, dessen mitt-
lere Oberflächentemperatur von Dezember bis Mai 14° beträgt; aufserdem zeigten
schon nach den letzten Berichten die Eisberge dieser Trift die Spuren der Zer-
setzung und Auflösung, indem sie nicht mehr die regelmäfsige Gestalt mit glatter
Oberfläche und steilen Kanten hatten, sondern mehr zerbröckelt und verwittert
aussahen, unregelmäfßige Figuren bildeten und viele kleine Eisstücke umher-
trieben. Es wurden jedoch während der ganzen Zeit auch noch in höheren
Breiten KEismassen angetroffen, darunter Berge von sehr grofsen Dimensionen;
ein Beweis, dafs der Nachschub von Süden fortdauert und vielleicht ebenfalls bis
in niedere Breiten vordringen wird.!) Die Gefahr ist also keinenfalls als ver-
schwunden zu betrachten. Die Schiffe, welche rund Kap Horn kommen, sollten
auch in der Folgezeit eine zu östliche und die ostwärts nach dem Indischen
Ocean steuernden eine zu südliche Route zu vermeiden suchen. Am meisten ge-
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‘) Siehe die Berichte vom 21. April, 13. und 29. Juni, 13. und 18. Juli, 8., 16., 26. und
30. August, 30, September und 17. Oktober.