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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 21 (1893)

5304 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Dezember 1893, 
Dampfer „Cintra“ aus Liverpool, „Vulture“ aus Cardiff, „Bessie“ aus Cardiff und 
„Rosedale“ aus London. Sobald der erstgenannte Dampfer Nothsignale zeigte, ver- 
suchten die Rettungsboote von St. Ives und Hayle hinauszukommen; der letzt- 
genannten Mannschaft gelang dies nicht, sie setzte daher das Boot auf einen 
Wagen und fuhr damit der Küste entlang bis zur Strandungsstelle, jedoch gelang 
es auch dort nicht, die Boote flott zu machen, so da[ls die Raketenapparate 
herbeigeholt werden mufsten. Mit diesen wurden die Mannschaften der drei 
letztgenannten Schiffe glücklich gelandet. Die „Cintra“ setzte ein Schiffsboot 
aus, welches jedoch in wenigen Minuten von einer Woge zertrümmert wurde; 
die an Bord Gebliebenen sprangen darauf ins Wasser, doch konnten nur fünf 
derselben gerettet werden. 
Die Rettungsmannschaften von Holyhead hatten einen ungeheuer schweren 
Tag und waren von morgens 2 Uhr bis Dunkelwerden in ununterbrochener 
Thätigkeit. Zunächst mußten die Besatzungen mehrerer in der Nähe des Hafens 
ins Treiben gerathener Schoner in Sicherheit gebracht werden; dann kamen 
Nothsignale von dem auf Salt Island gestrandeten Schoner „Rosina“, der die 
Masten verloren hatte und hülflos in die Brandung getrieben war. Später wurde 
die aus zehn Personen bestehende Besatzung der französischen Brigg „Dos Hermanos“, 
die rasch in Stücke schlug, gerettet und auch die Mannschaften der Schoner 
„Douglas“ und „Ellie Sayer“ in Sicherheit gebracht. In der Nähe des South 
Stack-Leuchtthurmes wurde noch ein weiterer Schoner mit Nothsignalen bemerkt, 
doch war es nicht möglich, ihm Hülfe zu bringen. 
Sehr zahlreiche Unglücksfälle werden auch von der Ostküste Englands 
gemeldet, Zwischen Grimsby und Cleethorpes an der Küste von Lincolnshire 
sind allein zehn Schiffe gestrandet und zum Theil schon aufgebrochen, u. a. die 
Briggs „Oswy“ und „Sir Henry Havelock“, der Schoner „Ann Walters“, die 
Kuff „Charlotte“ und die Slup „Silver Eagle“. In Sunderland (Durham) trat der 
Sturm als voller Orkan auf. In der Börse wurde das Dach abgehoben und das 
Geländer in das Innere geschleudert. Eine mächtige Bleiplatte wurde in die 
Luft gehoben, wie ein Stück Papier zusammengefaltet und dann mit furchtbarem 
Krach zu Boden geschmettert. Das neu dekorirte Theater Royal wurde, nach- 
dem das Dach abgehoben, innen gänzlich zerstört. 
Auch an vielen anderen Orten in Grofsbritannien sowohl als in Irland 
brachte der Sturm Häuser theilweise oder ganz zum Einsturz und begrub 
Menschen unter deren Trümmern. Der Bruch der Ostmole von Calais wird eine 
längere Reparatur nöthig machen und hat die provisorische Aufstellung eines 
festen Feuers bedingt. 
Auch in Deutschland hat der Sturm manchen, wenngleich viel geringeren, 
Schaden an Bäumen und Gebäuden verursacht. Die: bedeutendste Schädigung 
bestand jedoch hier in den erwähnten Ueberschwemmungen an der westlichen 
Ostsee am Montag Morgen, von deren Bedeutung ein Bericht aus Lübeck einen 
Begriff geben möge. 
Hochwasser. Lübeck, den 20. November. Der im Laufe des gestrigen 
Tages herrschende Nordoststurm wurde in letzter Nacht für unsere Vaterstadt 
gefährlich. Gegen 1 Uhr nachts meldeten die Warnungsschüsse, dafs Hochwasser 
im Anzuge sei, und mit einer rapiden Geschwindigkeit lief es einwärts. Gegen 
5 Uhr morgens war das Wasser so weit gestiegen, dafs es die Höhe des Boll- 
werks erreicht hatte, und nunmehr überfluthete es die untere Stadt, noch immer 
steigend. Der Verkehr wird auf Böten vermittelt. Noch jetzt, 9 Uhr morgens, 
ertönen Warnungsschüsse, meldend, daß das Wasser noch im Steigen begriffen 
ist. Die Anwohner der Untertrave können nicht aus den Häusern kommen, die 
Druckerei der Eisenbahnzeitung steht vollkommen unter Wasser. Die Lübeck- 
Travemünder Eisenbahn mufste den Betrieb einstellen. Ob die Eutin-Lübecker 
Bahn den Verkehr aufrecht erhalten kann, ist bei dem fortwährenden Steigen 
des Wassers noch nicht vorauszusehen. Die Dampfer „Der Preufse“ und „Luba“, 
welche gestern von hier ausgingen, haben sich in See gewagt, während der 
Dampfer „Lubeca“ gegen den hohen Seegang nicht kämpfen konnte, Er ging 
nach Lübeck zurück. Auch heute herrscht noch schwerer Seegang, und man 
fürchtet für die unterwegs befindlichen Schiffe. Erst um 12 Uhr mittags begann 
las Wasser zurückzugehen.
	        
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