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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 21 (1893)

Neumayer: Die wissenschaftliche Erforschung der antarktischen Region. 463 
Vorläufiger Bericht von C. W. Donald, M. B., C. M. Jede noch 
so geringfügige Auskunft über so wenig bekannte und so selten besuchte 
Gegenden, wie es die antarktischen Länder sind, ist von Werth für den Gelehrten 
und Geographen. Die antarktische Expedition war ursprünglich von einer Ge- 
sellschaft in Dundee als ein kaufmännisches Unternehmen geplant, dessen Zweck 
darin bestehen sollte, ‚einen richtigen Fischbein-Wal zu entdecken und zu fangen, 
der unter ähnlichen Verhältnissen, wie der schwarze oder grönländische Walfisch, 
dort lebte. Die Idee, hiermit einige wissenschaftliche Forschungen zu verbinden, 
wurde zuerst von Herrn Leigh Smith angeregt, der den Plan zur Kenntnifs 
der Royal Geographical Society brachte. 
Indem wir Dundee im September letzten Jahres verliefsen, hatten wir 
eine angenehme, obwohl etwas stürmische Ausreise. Die Flotte bestand aus 
vier Schiffen. Herr Bruce und Herr Burn Murdoch reisten zusammen auf der 
„Balaena“, während ich mich an Bord der „Active“ befand. Diese beiden Schiffe 
waren durchaus verstärkt worden für den Verkehr zwischen dem Eise und hatten 
viele Jahre in Grönland und der Davis-Strafse zugebracht. Die Kapitäne waren 
vollendete Meister in der etwas schwierigen Kunde der Schiffsführung zwischen 
dem Eise und schienen sich erst recht zu Hause zu fühlen, als wir die glatten 
ruhigen Gewässer dieser eisumgürteten Gebiete erreichten. 
Auf der Ausreise liefen wir mit der „Active“ die schöne Insel Madeira 
im Oktober an und nach zwei weiteren Monaten landeten wir auf den unfrucht- 
baren Falklands-Inseln. Indem wir am 11. Dezember von dort weitersegelten, 
kreuzten wir die stürmischen Gewässer im Osten von Kap Horn und sahen unseren 
ersten Eisberg am 18. Dezember. An demselben Tage bekamen wir die Clarence- 
Insel — eine der Süd-Shetlands-Inseln — in Sicht, Diese sind nach unseren 
eigenen nördlichen Shetlands-Inseln benannt worden, nur liegt der Theil, den 
wir in Sicht bekamen, einige 60 Sm näher dem Pole. Aber welch ein Unter- 
schied zwischen den beiden Orten, Unsere eigenen Shetlands-Inseln strahlend 
von Damen, die in leichte Sommerkleider gekleidet sind und Tennis Racquets 
und Sonnenschirme tragen, die Süd-Shetlands-Inseln sogar in der Mitte des 
Sommers in eine beinahe vollständige Schneedecke gekleidet, aus der nur hier 
und da eine steile Klippe oder ein kühner Felsen in schroffem Gegensatze hervor- 
ragt; die einzigen Bewohner sind Vögel oder Robben. Sogar das Vogelleben — 
mit Ausnahme der Pinguine — ist kärglich. Sir James Ross segelte auf seiner 
dritten Reise beinahe auf derselben Stelle in das Eisgebiet hinein und hatte vor 
genau 50 Jahren weniger einer Woche unter den unwirthlichen Küsten der 
Clarence-Insel Schutz gesucht vor einem westlichen Sturme. Der höchste Gipfel 
dieser Insel erhebt sich 4557 engl. Fuß (1389 m) über Meeresniveau, 
Hierauf wurden wir einige Tage durch Nebel aufgehalten — ein häufiges 
Vorkommnifs zwischen dem Eise, sowohl im Süden als auch im Norden. Am 
23. Dezember bekamen wir die Danger-Inseln in Sicht, die unmittelbar im Osten 
von dJoinville- Insel gelegen sind. Die See um dieselben herum war dick 
besetzt mit Eisbergen, von denen die meisten auf Grund saßen und viele von 
ungeheuren Dimensionen waren. Diese Eisberge erfordern ein Wort der Be- 
schreibung. Ungleich den im Norden angetroffenen sind diese oben völlig flach, 
während ihre Seiten senkrechte Klippen von 100 bis 200 engl. Fuß (30 bis 60 m) 
Höhe bilden. An Gestalt sind sie ungefähr vierkantig. Manche von ihnen waren 
mehr als eine Seemeile lang, und einen sahen wir, der wenigstens 30 Sm lang 
war, Diese enormen Kismassen thürmen sich wahrscheinlich auf, wo das Land 
eine langgestreckte sanfte Abdachung von einer beträchtlichen Höhe hinab bis 
zum Seeufer bildet und derselbe Abhang noch eine oder mehrere Meilen nach 
See zufortläuft. Schnee häuft sich auf dieser Abdachung an und gleitet allmählich 
nach See zu. hinaus, einen sogenannten Eisfufßs. bildend. Der äufserste Theil 
derselben erreicht zuletzt eine Tiefe, in welcher sie schwimmen kann und bricht 
alsdann ab, um einen Eisberg zu bilden. Nimmt man nun den durchschnittlichen 
Schneefall zu einem engl. Zoll (25 mm) den Tag an, so macht dies ungefähr 
30 engl. Fuß (9 m) im Jahre und mufs die Grundmasse eines jeden dieser HEis- 
berge ungefähr 60 Jahre, bevor er ein abgesondertes Individuum wird, gelegt 
worden sein, Nun entsteht natürlich die Frage: warum unterscheiden sich diese 
KEisberge so sehr von den hochgegipfelten Eisbergen des Nordens? Die letzteren 
bilden sich bekanntermafsen aus tiefen Gletschern. die sich in engen Bereg-
	        
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