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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 21 (1893)

Neumayer: Die wissenschaftliche Erforschung der antarktischen Region, 453 
einer magnetischen Durchforschung, einer magnetischen Aufnahme der Südpolar- 
Region für die Entwickelung der Theorie des Erdmagnetismus ist nicht Jedem 
sofort einleuchtend, weshalb wir bei diesem Gegenstand etwas verweilen wollen, 
und zwar mag es schon um deswillen gerechtfertigt erscheinen, weil mir (Dr. Neu- 
mayer) eine sonst noch nicht näher erörterte Eıfahrung über denselben zur Ver- 
fügung steht. Es wird zu diesem Zwecke erforderlich sein, etwas weiter zurück- 
zugreifen.“ 
„In einer Denkschrift, welche ich“, fährt der Vortragende fort, „im Mai 1855 
Seiner Majestät dem höchstseligen König Maximilian II. von Bayern vorlegte, 
and welche den Gegenstand behandelte, wie und auf welche Weise die theoretischen 
Ansichten über die Vertheilung des Magnetismus über die Erdoberfläche gefördert 
werden können, legte ich einen besonderen Nachdruck auf die Nothwendigkeit 
der Errichtung oder Wiedererrichtung eines magnetischen Observatoriums!) in den 
südlichen australischen Kolonien. Dieses Observatorium sollte wesentlich auch 
als Basis für eine magnetische Landesaufnahme innerhalb des Polarkreises dienen. 
Als eine wesentliche Stütze dieses Vorschlages wurde angegeben, dafs es sich 
zweifelsohne als eine vergebliche Mühe erweisen müfste, ohne Beobachtungs- 
material aus den Südpolar-Gegenden, in ähnlicher Weise zum Wenigsten, wie wir 
solches von der arktischen Region besitzen, an der Ausbildung der Theorie 
des Erdmagnetismus weiter bauen zu wollen, wie ausgezeichnet und weit aus- 
gedehnt auch unsere Rechnungen geführt werden würden; die gegenwärtig in 
dieser Hinsicht noch bestehende grofse Lücke mufste vorher entfernt oder aus- 
gefüllt werden. Das Observatorium wurde in Melbourne vor 35 Jahren be- 
gründet, und die magnetischen Beobachtungen werden bis auf den heutigen Tag 
fortgeführt, aber der zweite Theil meines Progamms konnte nicht erfüllt werden, 
und die Erforschung der Südpolar-Region ist noch immer ein geographischer 
fronmer Wunsch.“ 
„Unerachtet mancher Fortschritte in der magnetischen Wissenschaft und 
deren Anwendung im Verkehrsleben der Völker der Erde müssen wir gestehen, 
dafs die theoretischen Fortschritte und Errungenschaften in dieser Wissenschaft 
seit 50 Jahren noch immer einen vorläufigen und ganz provisorischen Charakter 
tragen, und zwar wesentlich um deswillen, weil uns jede Kenntnifs des magnetischen 
Zustandes der Südpolar-Region fehlt, Die Beobachtungen von Sir James Cl. Ross 
liegen nun schon zu weit zurück, als dafs sie eine Basis abzugeben vermöchten, 
am, mit neueren Beobachtungen kombinirt, bei den Berechnungen Verwendung 
finden zu können. Infolge davon können die Berechnungen nach Gaufs’s 
Theorie keine befriedigenden Resultate ergeben, und die Verrollständigung der 
Theorie des Erdmagnetismus mufß ein ungelöstes Problem bleiben. Obgleich 
num diese Ueberzeugung bei mir eine fest begründete war, so erachtete ich es 
doch für geboten, im Interesse dieser wichtigen wissenschaftlichen Angelegenheit 
in die verwickelten und umfangreichen Aufgaben der Wiederberechnung der 
Gaufs’schen Konstanten auf Basis neuerer Beobachtungen einzutreten, ehe ein 
weiterer Schritt zu Gunsten der Durchführung eines ausgedehnten Planes der 
wissenschaftlichen Durchforschung der Südpolar- Region geschehen konnte. 
Seit dem Jahre 1886 wird nun unter meiner Leitung die Berechnung der 
24 Gaufs’schen Konstanten auf Grund aller neueren Beobachtungen, welche auf 
das Jahr 1885,0 reducirt wurden, mit allem Eifer betrieben. . Auf Grund der sich 
ergebenden Konstanten wurden sodann die magnetischen Elemente berechnet und 
mit den wirklichen Bestimmungen derselben verglichen. Die Differenzen zwischen 
den wirklichen und den theoretisch abgeleiteten Werthen dieser Elemente zeigten 
zu einem Grade einen systematischen Verlauf der dieselben darstellenden Ge- 
biete, dafs, wie unerklärlich derselbe auch erschien, die Nachforschung nach 
den endlichen Ursachen derselben nur um so eifriger angeregt werden mufste. 
Da es danach einleuchtend erschien, dafs man es nicht mit blofsen Zufälligkeiten 
zu tihun hatte, wurde die Weiterführung der Rechnung mit Gliedern höherer 
Ordnung in Angriff genommen und zum Theil auch eine Berechnung der 
24 Konstanten auf Grundlage der Beobachtungen innerhalb der Polar-Regionen 
‘jenseits des 60, Grades der Breite), wobei die Beobachtungen aus der Epoche 
') Das Observatorium in Hobarton hatte im Jahre 1849 seine Thätigkeit eingestellt.
	        
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