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"Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, November 1893.
Chemische Untersuchung des Schwarzen und Azofschen Meeres
in den Jahren 1891 und 1892.
Von ARSENIUS LEBEDINTSEF,
Assistent am chemischen Laboratorium der Kaiserl. neuruss. Universität in Odessa.1)
Ueber die neuen hydrographischen Forschungen im Schwarzen Meere aus
den Jahren 1890 und 1891 ist bereits in diesen Annalen, 1892, Seite 306, kurz
berichtet worden. Beweggrund zur Theilnahme eines Chemikers an den vom
russischen Marine-Ministerium im Sommer 1891 veranstalteten Expeditionen war
der Wunsch, das Auftreten des Schwefelwasserstoffes im Wasser des Schwarzen
Meeres, das schon von der Expedition des vorhergehenden Jahres festgestellt
war, näher zu studiren. Diese in anderen Meeren sehr seltene Erscheinung hatte
die Aufmerksamkeit der Theilnehmer der vorigen Expedition auf sich gezogen
and den Führer derselben, Herrn J. B. Spindler, veranlalst, sich an unsere natur-
wissenschaftliche Gesellschaft mit dem Antrage zu wenden, der Expedition eine
chemische Abtheilung beizugeben. Die Gesellschaft widmete der Expedition ihre
gesammten disponiblen Mittel im Betrage von 500 Rubel, weitere 300 Rubel
lieferte die Kaiserlich Russische Geographische Gesellschaft und ebensoviel die
Stadt Odessa.
Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der quantitativen H,S-Bestimmung im
Wasser des Schwarzen Meeres galt es vor Allem, ein Bathometer anzuschaffen,
das nicht durch seine metallischen Wandungen eine Verringerung des Gehalts
an diesem Gase im Meerwasser während des Schöpfens bewirken könnte.
Der Apparat von Wille”), in der norwegischen Expedition vielfach an-
gewendet, mit vergoldeten inneren Wandungen, schien mir am meisten zweck-
entsprechend zu sein. KEin derartiges Bathometer, von unserem Universitäts-
mechaniker Timtshenko etwas abgeändert, wurde in Odessa verfertigt und mit
ihm die Entnahme der Wasserproben stets ausgeführt. Leider machte es die
grofse Eile bei der Vorbereituhg der Expedition unmöglich, den Apparat schon
während des ersten Theiles unserer Untersuchung anzuwenden.
Da nun viele der chemischen Bestimmungen eine sofortige Ausführung
verlangten, so waren wir genöthigt, auf dem Schiffe ein passendes Laboratorium
einzurichten. Auf dem zuerst in Verwendung gekommenen Kanonenboot „Donets‘“
konnte durch das Entgegenkommen des Kommandanten frühzeitig eine genügend
helle und geräumige Kajüte auf dem Oberdeck für chemische Zwecke vollkommen
angepalst werden.
Das Kanonenboot „Donets“ kam nach Odessa am Morgen des 4. Mai.
Den ganzen Tag verwandte ich zur Ueberführung und Aufstellung von allem
Nöthigen. Am 5. Mai morgens verließen wir den Hafen. Am 29. Mai kehrte
der „Donets“ nach Odessa zurück, Die Arbeiten hatten also 24 Tage gedauert,
von denen jedoch nur 17 auf offener See zugebracht wurden. In dieser Zeit
wurden von uns 72 Punkte untersucht, davon 30 mit Tiefen von mehr als
100 Fad.?) (183 m).
Am 16. Juni traten wir eine Fahrt im Azofschen Meere auf dem Schoner
„Kazbek‘“ an, die am 24. Juni in Kertsh endigte; auf dieser gelang es uns,
22 Punkte zu untersuchen.
Endlich, am 20. Juli, wurde die Expedition im Schwarzen Meer wieder
aufgenommen im Kanonenboot „Zaporöjets‘“; ihren Abschlufs fand sie am
16. August auf der Rhede von Odessa,
1) Auszugsweise nach einer handschriftlichen Mittheilung des Herrn Verfassers und den
beiden in russischer Sprache erschienenen Berichten desselben, deren erster am 16. (28.) No-
vember 1891, deren zweiter am 19. (31.) Dezember 1892 in der neuruss. Naturforscher-Gesellschaft
in Odessa vorgetragen wurde (ersterer ist auch in den „Iswestiya“ der K. Russ. Geogr. Ges., 1892,
Seite 51 bis 68, mitgetheilt), .
2) „Journ. f. prakt. Chemie“, 127, Taf. 2, 1879, — Den Norske Nordhavs Expedition
1876 bis 1878.
3) Die Tiefen sind in russischen „Marine-Sajen“ angegeben, welche einem englischen Faden
gleich sind (6 Fuls engl.).