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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 21 (1893)

‚Aus dem Reisebericht des Kapt. J. G@. Nichelson, Bark „Theodore“, 33 
ärigal, einem Dorfe 3 Sm unterhalb der Stadt, und von dieser selbst kamen alle 
Tage Besucher an Bord, des öftern bis zu 100 mit einem Male, und ich mufs 
gestehen, noch kein gemüthlicheres Volk gefunden zu haben, als diese Natur- 
menschen. Schätze erwerben sie sich nicht, denn zum Arbeiten haben sie keine 
Lust. Wozu auch? Eine Hütte ist leicht gebaut, Früchte wachsen im Ueber- 
flufß, Hühner zum Kierlegen suchen sich ihr Futter selber, und Fleisch, Reis, 
Bohnen und Zucker sind sehr billig. . Daher leben die Menschen glücklich von 
einem Tage zum andern, ohne zu fragen: „Was werden wir essen, was werden 
wir trinken, womit werden wir uns kleiden“, und hätten die Weifsen den Brannt- 
wein nicht eingeführt, so könnte hier das wahre Paradies auf Erden sein. 
Die eingesessenen Weißen von Ciudad de David haben natürlich gröfsere 
Bedürfnisse, denn in den Strafsen fand ich die jungen Dandys geschniegelt und 
gebügelt einhergehen, und die fast ausnahmslos hübschen Damen wissen sich, 
wie überall, gut zu kleiden. Sehr gewundert habe ich mich darüber, dafs die 
hiesigen weilsen Damen nicht, wie sonst meistens in den heißen Gegenden üb- 
lich, den Tag mit Nichtsthun verbringen. Fast in allen Häusern, in die ich 
Zutritt erhielt, fand ich sie beschäftigt, entweder in der Küche, bei der Näh- 
maschine oder mit andern Handarbeiten, weshalb ein Nordländer sich bei diesen 
Menschen auch bald heimisch fühlt. 
Die Stadt hat etwa 9000 bis 10000 Einwohner und. sogar einige, wenn 
auch mangelhaft, gepflasterte Strafsen. Sie liegt, wie schon angedeutet, ungefähr 
10 Sm von San Pedro und der Flufsmündung entfernt und ist von hier aus er- 
reichbar, indem man zunächst in einem Boot erst den Hauptstrom und dann 
einen westlichen Seitenarm desselben, den Pedrigal, bis zum gleichnamigen Dorfe 
hinaufrudert. Die Zurücklegung dieser Wegestrecke, die auch von den kleinen 
Küstendampfern befahren wird, beansprucht mit der Fluth reichlich eine Stunde. 
Einen Lootsen hat man zu einer solchen Bootfahrt nicht nöthig, der Fluß ist 
breit und überall tief genug. 
Das Dorf Pedrigal besteht aus etwa 50 Hütten, welche von Indianern be- 
wohnt werden; es hat weder eine Kirche noch eine Schule, ein Schlächter oder 
Bäcker ist nicht ansässig, und die meisten Lebensbedürfnisse müssen von der 
Stadt beschafft werden... Von Pedrigal gelangt man entweder zu Fuß in einer 
kleinen Stunde, oder in einem Wagen oder zu Pferde entsprechend schneller, 
nach Ciudad de David. Der Weg führt über eine fast baumlose Grasebene, auf 
der viele Kühe und Pferde weiden. Nach dem Aussehen dieser Thiere zu 
urtheilen, mufs das Futter derselben von einer guten Beschaffenheit sein. Nähert 
man sich der Stadt, so ändert sich die Gegend; es treten Hügel auf, und der 
Boden ist in mehr oder weniger bebaute, eingefriedigte Flächen zertheilt. Man 
sieht aber von der Stadt nicht eher etwas, als bis man bei den ersten Häusern 
derselben angelangt ist. Einen besonderen Eindruck macht ihr Anblick nicht, 
denn sie besteht zum größten Theil aus Bambushütten und Holzhäusern, die mit 
Dachpfannen gedeckt sind und eine Lehmdiele als Fufsboden haben. Doch giebt 
es auch mehrere wohl ausgerüstete Läden, in denen man zu billigen Preisen 
Alles, was man wünscht, kaufen kann. Die Waaren stellen sich dadurch so ver- 
hältnifsmäfsig billig, daß keinerlei Zoll erhoben wird, nur für das ausgeführte 
Vieh mufs ein Ausgangszoll von 3 Doll. pro Kopf entrichtet werden. Kin Zoll- 
baus und Zollbeamte in unserm Sinne sind daher nicht nöthig. Glückliches 
Land, das diese Abgaben nicht kennt! Auch die Abgaben eines Schiffes sind 
unglaublich klein; Alles, was ich zu entrichten hatte, waren 50 Centavos — 1,50 M, 
für einen Stempelbogen, auf dem mir die Erlaubnifs zum Segeln ertheilt wurde, 
Die Dampfer haben dann noch eine besondere Abgabe von 5 Doll. dafür zu 
zahlen, daß sie den Fluß bis nach Pedrigal hinaufgehen. Der Lohn für ‚einen 
Arbeiter beträgt 60 bis 70 Centavos pro Tag nebst Beköstigung. Aller frische 
Proviant ist billig; es kosten: !/a Kilo Fleisch 5 Centavos, ein lebender Ochse 
12 bis 14 Doll., 3 Eier 5 Centavos, ein grofser Büschel Bananen 25 Centavos, 
Ananas, von einem Umfange wie ich sie früher nie gesehen habe, 5 bis 10 Cen- 
tavos pro Stück, 100 Apfelsinen 30 Centavos, Reis 3'/a Doll. pro Quintal und 
Yams 2'/2 Doll. pro Quintal. Nur das Mehl ist theuer und gegenwärtig nur zu 
dem in dieser Gegend überall gangbaren Preise von 7 Doll. pro Quintal 
zu haben. 
Ann. d. Hydr. etc. 1893, Heft I.
	        
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