Bemerkungen über Jan Mayen und Spitzbergen,
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verschiedener Gröfsen zusammen. Die ganze Inselgruppe liegt zwischen 76° 30’
und 80° 30’ nördlicher Breite und zwischen 10° und 28° östlicher Länge v. Gr.
Das Nordostland ist ziemlich unbekannt; es wird nur sehr selten besucht,
weil es von einer nur selten zugänglichen Eismasse umgeben ist. West-Spitz-
bergen dagegen ist alle Jahre, vom Juli bis Ende September, zugänglich, dank
der wohlthätigen Wirkung der warmen Meeresströmungen. Diese aus dem Nord-
atlantischen Ocean kommenden Strömungen laufen zunächst längs der norwegischen
Küste; sie machen sich bis zur nordwestlichen Spitze von Spitzbergen hinauf
fühlbar. Die spitzbergische Westküste ist seit drei Jahrhunderten der Tummel-
platz der Walfisch- und Robbenfänger.
Das Innere des Landes trägt theilweise, ebenso wie Grönland, das so-
genannte Binnenland-Eis. Doch findet man auch grofse grüne Thäler, die von
ziemlich grofsen Flüssen bewässert werden und treffliche Weiden für die wilden
Rennthierheerden bilden,
In der Nähe der Küste sind zahlreiche Gletscher, die mit den Eismassen
des Innern zusammenhängen; fast alle reichen bis ins Meer hinab, wo sie oft
15 bis 20 km Breite haben. . Infolge dessen besteht die Küste an verschiedenen
Stellen aus einer Kismauer von 40 bis 50 m Höhe. Mit jeder Ebbe werden
durch den warmen Strom eine Menge Schollen losgelöst, die sich in den Fjorden
anhäufen oder vom Winde seewärts getrieben werden und dort zu Eisfeldern
Fanges beraubt hatten. Der Verlust der Holländer belief sich auf 130 000 Gulden. Nun gründeten
die thatkräftigen Amsterdamer die „Noordsche Maatschappij“; diese schickte 1614 14 Walfangschiffe
unter einem Konvoi von vier Kriegsschiffen (zu je 30 Kanonen) nach Spitzbergen. Unter 79° 45‘ N-Br
errichteten die Holländer an der Nordwestküste die berühmte Faktorei Smeerenburg; auf einer kleinen
Insel wurden Thransiedereien, Packhäuser und Werkstätten gebaut. Der Reichthum an Walen war
in den Buchten damals noch so grofs, dafs der Fang dicht unter Land mit Booten betrieben werden
konnte. Die Engländer wagten nun den holländischen Walfang nicht mehr zu stören; dagegen er-
schienen 1615 zwei dänische Kriegsschiffe und verlangten von allen Fischern Abgaben, „weil die
Dänen Westgrönland entdeckt hätten und Spitzbergen zu Grönland gehöre“. Nach längeren Ver-
handlungen wurden 1620 die Buchten von Spitzbergen zwischen die Engländer, Holländer, Dänen,
Hamburger, Biskayer und Franzosen vertheilt. Die besten Buchten, den Bell-Sund und Safe-Hafen
im Eisfjord, sowie mehrere andere, wählten die Engländer. Die Holländer wählten die Amsterdam-
Insel und die nordwestlichen Buchten von Spitzbergen. Die kleine „Hamburger“ Bai lag nordwärts
von Foreland, ungefähr unter 79° 15’ N-Br. Dr. M. Lindeman hat in der vorzüglichen und sehr
ausführlichen Arbeit: „Die arktische Fischerei der deutschen Seestädte 1620 bis 1868“ (Petermann’s
geogr. Mittheilungen, Ergänzungsheft No. 26) über den Walfischfang bei Spitzbergen berichtet; den
Hauptantheil daran nahmen während des ganzen 17. und auch noch während des ganzen 18. Jahr-
hunderts die Holländer. Im Winter 1630/31 machten 8 Mann des englischen Schiffes „Salutation“
sine unfreiwillige Ueberwinterung im Bell-Sund durch, die glücklich verlief; auch ein im Jahre 1633
von sieben holländischen Freiwilligen unternommener Winteraufenthalt glückte. Im Herbste 1634
wurden von der holländischen Flotte wieder sieben Mann auf der Amsterdam-Insel zurückgelassen,
die im nächsten Frühjahr todt vorgefunden wurden. Seitdem wurden dort fast 140 Jahre lang keine
Ueberwinterungsversuche mehr gemacht, aufser von einigen russischen Fischern, Le Roy erzählt,
dafs drei russische Matrosen, durch Schiffbruch gezwungen, 6 Jahre und 3 Monate auf dem Nord-
ostlande Spitzbergens gelebt hätten. (?)
Neuerdings wurde Spitzbergen in der Mitte unseres Jahrhunderts besonders häufig von
Walrofs- und Robbenfängern aufgesucht; im Jahre 1864 wurden 24 Mann bei der Cross-Bai zum
Deberwintern gezwungen, von denen nur drei starben. Im Jahre 1863 führte der norwegische Wal-
rofsjäger Karlsen mit der Brigg „Jan Mayen“ eine Umsegelung der spitzbergischen Inselgruppe
aus, Vermessungen von Spitzbergen wurden ausgeführt von Scoresby, Parry, Lamont, Torell,
Nordenskjüöld und Heuglin. Im August und September 1868 wurde durch die erste deutsche
Nordpolar-Expedition unter Kapt. (jeizt Admiralitätsrath) Koldewey mit der Yacht „Germania“ die
Hinlopen-Strafse zwischen Westspitzbergen und dem Nordostlande aufgenommen. 1872 bis 1873 über-
winterte eine schwedische Expedition in der Mossel-Bai (Station Polhem in 79° 53‘ N-Br und
16° 1‘ O-Lg v. Gr.). Beim Kap Thordsen starben in demselben Winter 17 norwegische Fischer,
die dort zum Ueberwintern gezwungen wurden. Die schwedische Expedition der internationalen
Polarforschung brachte ebenfalls beim Kap Thordsen den Winter 1882 bis 1883 zu.
in den Augustmonaten der Jahre 1891 und 1893 besuchten die deutschen Dampfer „Amely“
und „Admiral“ unter Leitung des bekannten Polarfahrers Bade Spitzbergen. Die Reise des Fisch-
dampfers „Amely“ (1891), die zur Förderung der deutschen Hochseefischerei unternommen wurde,
ist in vortrefflicher Weise von einem '"Theilnehmer, dem Dr. Max Grafen von Zeppelin,
beschrieben worden (Reisebilder aus Spitzbergen, Bären-Insel und Norwegen; Stuttgart, 1892).
„Amely“ besuchte den Bel-Sund und in diesem die Recherche-Bucht und die Van Keulen-Bai,
sowie den Eis-Fjord (Green Harbour und Advent-Bucht). Ohne Schaden zu nehmen, gerieth das
Schiff im Innern der Recherche-Bucht und der Advent-Bucht auf Grund. Der Passagierdampfer
„Admiral“ besuchte in Begleitung des Walfischdampfers „Glückauf“ am 15. August 1893 die Advent-
Bucht und am 16, Green Harbour, Am 18. August dampften beide Schiffe bis auf etwa 801/2° N-Br,
wo sie des dichten Treibeises wegen umkehren mufsten; bis zum 80. Grade hatte man kein Eis
getroffen. 6. Wislicenus.