Ann. d. Hydr. ete., XXI. Jahrg. (1893), Heft X.
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Bemerkungen über Jan Mayen und Spitzbergen.
Gewonnen auf der Forschungsreise der „Manche“ vom Linienschiffs-Lieutenant M. R. DE CARFORT.
Nach den „Annales Hydrographiques“ 1893, vol. I.
1. Jan Mayen.)
Geographische Lage der österreichischen Station: 70° 59’ 48“ N-Br
8° 27 53“ W-Lg v. Gr.
Milsweisung für 1892: 28° 24’ West; jährliche Abnahme 12‘.
Beschreibung. Die Insel Jan Mayen liegt zwischen 70° 50’ und
71° 10‘ N-Br und zwischen 8° und 9° W-Lg v. Gr.; sie besteht aus zwei Gebirgs-
massen von ungleicher Form, die durch eine Landenge mit einander verbunden
sind. Der Grat dieser Enge hat etwa 200 m Höhe; die Grundfläche des Rückens
hat 900 m Breite. Die Landenge selbst ist südwärts durch eine grofse Lagune
erweitert, deren äufserer Rand 2870 m vom Nordabhange der Enge entfernt ist.
Eine grofse Zahl alter Krater giebt Kunde vom vulkanischen Ursprung der Insel.
Die Landschaft macht einen düsteren Eindruck. Der Nord- und Südstrand der
mittleren Landenge besteht aus einem ganz schwarzen Sande, der mit schwarzem
Achat vermischt ist.
Jan Mayen ist in Nardost—Südwestrichtung 29 Sm lang. Die sehr
schmale südwestliche Halbinsel ist etwa 13 Sm lang und bis zu 3'/2 Sm breit.
Ihr höchster Gipfel ist der Franz-Josephs Pic von 839 m Höhe. Die nordöstliche
Halbinsel bildet beinahe ein rechtwinkliges Dreieck; ihre ganze Grundfläche wird
von der ungeheuren Masse des Beerenberges eingenommen.
Der Beerenberg, ein alter Vulkan, hat die Form eines abgestumpften
Kegels. Sein abgeplatteter Gipfel erhebt sich 2545 m über dem Meeresspiegel,
Der ganze Berg, mit Ausnahme seiner Grundlage, ist vollständig mit verhärtetem
Schnee bedeckt; seine abschüssigen Wände tragen viele Gletscher, die fast alle
senkrecht nach dem Meere abfallen. Der Berg ist nicht zugänglich; die
österreichischen Forscher konnten 1882 nur bis auf 1572 m Höhe gelangen.
Segelanweisung für Jan Mayen. Die Wahl des besten Kurses zum
Anlaufen von Jan Mayen ergiebt die Prüfung der Karten der Oberflächen-Wasser-
wärme für das Nördliche KEismeer. Die Insel liegt auf der Grenze des Polar-
stromes, der der grönländischen Küste parallel von NNO nach SSW läuft, Diese
Grenze liegt je nach der Jahreszeit östlicher oder westlicher; trotzdem bleibt
Jan Mayen während des gröfsten Theiles des Jahres vom Eise eingeschlossen.
In einzelnen Jahren bleibt die Insel auch während des ganzen Sommers blockirt.
Die Eisgrenze geht nahe an der isländischen Nordküste, die das Eis häufig
erreicht, vorbei und wendet sich dann nach Jan Mayen. Weiter im Norden
dehnt sich die Eismasse ostwärts aus und rückt in 72° oder 73° N-Br bis zum
5. oder 6. Grad östlicher Länge (v. Gr.) vor. Dort bildet sie, wie Scoresby
angiebt, eine auffällige Huk oder Ecke und biegt dann plötzlich nordwärts bis
zum 80. Grad nördlicher Breite.
Im Allgemeinen ist es am günstigsten, von SO kommend, auf Jan Mayen
zuzulaufen. Aus der Nordsee kommend, kann man gerade Nord oder NzW
steuern, um sich am längsten im wärmeren Wasser aufzuhalten. Wenn man den
Beerenberg in NW peilt, halte man auf die Insel zu, wobei man die Isothermen
senkrecht schneidet. Diesen Kurs hat die „Manche“ am 26. Juli 1892 mit gutem
Erfolg genommen.
Von Island kommend, mul man zunächst NO oder sogar Ost steuern, bis
man aus dem Polarstrom heraus ist; dann drehe man nordwärts und halte sich
dabei in Wasser, dessen Wärme mehr als + 4° C beträgt. Von Tromso6 oder
von der norwegischen Küste aus kann man gerade auf Jan Mayen zusteuern,
ohne den 71. Grad nördlicher Breite zu überschreiten,
1 1611 vom holländischen Walfischfänger Jan Mayen entdeckt.