268 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juli 1893,
der Kurslinie zusammenfällt. Nach Ablauf der vierten Stunde hat der Strom,
der bisher seine Richtung nur wenig verändert, am Schiffsorte seine gröfste Ge-
schwindigkeit (2 Meilen in der Stunde) erlangt und verläuft jetzt in der Rich-
tung ONO!/:O rw. Bis das Schiff Casquets passirt, dreht er dann, sich in
Stärke nahezu konstant erhaltend, allmählich nördlicher.
Während des ganzen Verlaufs der Reise wird also der Dampfer in un-
bedeutendem Mafse nach Norden versetzt, so dafs er, sofern der Kurs nicht dem-
entsprechend südlicher gesetzt sein sollte, die Insel statt, wie beabsichtigt, in
7—8 Meilen in ca 9 Meilen Abstand passirt,
Für die weitere Fahrt zeigen nun die Stromkarten, dafs, sofern das Schiff
sieh in größerer Entfernung (8—9 Meilen) vom Lande hält, man darauf rechnen
darf, noch nahezu zwei Stunden im günstigen Strom zu verbleiben, während in
einem Abstande von 2—3 Meilen von der Küste die Gezeit bereits in entgegen-
gesetzter Richtung verläuft.
Es mag hier eingeschaltet werden, dafs die älteren Stromkarten uns so-
wohl hinsichtlich der Stärke und des Verlaufs der Strömung in der Mitte des
Kanals im Dunkeln liefsen, als auch über die Grenzen, wo die Haupt- und
Küstenströme sich scheiden. .
Nachdem der Dampfer La Hague passirt hat, setzt nun zunächst die Ebbe
ein, welche ihn, wie die entsprechenden Tafeln zeigen, theils recht von vorn,
theils an seinem Backbordbug trifft, so dafs man, bei der grofsen Heftigkeit
des Stromes (theilweise 4—5 Meilen), vor einer südlichen Versetzung auf der
Hut sein muß.
Wenn dann Niedrigwasser bei Dover eintritt, so wird der Dampfer sich
der Rhede von Havre nähern, und hier giebt uns die Seemann’sche Karte wieder
einen wichtigen Fingerzeig, der namentlich beim Aufsuchen des Ankerplatzes
während unsichtigen Wetters nicht unbeachtet bleiben darf. Wir sehen nämlich
aus Karte 12 und Karte 1, daß zu den entsprechenden Stunden der Gezeit
das Wasser sowohl von Nord und Nordost her, scharf um Kap de la Heve herum-
setzend, als auch von Westen her, in beiden Fällen mit nicht unerheblicher Ge-
schwindigkeit, nach der Mündung der Seine zufließst.
Auch für diese Vorgänge gaben uns die alten Stromtafeln keine An-
deutung.
Verfolgen wir nun den Dampfer auf seiner weiteren Reise von Havre
nach Hamburg und nehmen wir der Hinfachheit halber an, dafs dieselbe bei
Springgezeit angetreten sei, Wie uns die Karten zeigen, ist zunächst von Wich-
tigkeit, zu welcher Stunde der Gezeit das Schiff seine Reise antritt, Da die
Docks in Havre bei Spring etwa eine gute Stunde vor Hochwasser (drei Stunden
vor Dover-Hochwasser) geöffnet werden, so bietet sich die Gelegenheit, falls der
Dampfer so früh wie möglich den Hafen verlassen kann und sofern er alle
Chancen zur Beschleunigung der Reise ausnutzt, die nur langsam nach Nordost
fortschreitende Stromscheide nach etwa 4—5 Stunden zwischen Hastings und
Dieppe zu überholen, so dafs es ihm möglich sein wird, sofern er den Kurs an
der französischen Küste entlang nimmt, den Strom bis nach Calais mitzubehalten,
während er im anderen Falle, d. h. sofern er nur eine halbe Stunde später den
Hafen verläfst, bereits nach vier Stunden in Gegenstrom kommt. Er wird im
ersteren Falle die etwa 108 Meilen betragende Distanz von Kap de la Heve bis
querab von Calais in 8 Stunden zurücklegen können.
Die älteren Karten gaben für die Strömungen an der französischen Küste,
zwischen Antifer und Grisnez gar keine Daten, sie zeigten lediglich die Ver-
schiebung der Stromscheide auf der genannten Strecke, während Angaben über
die Richtung und Stärke der Gezeit zu beiden Seiten der genannten Grenzlinie
gänzlich fehlten.
Auf der nun folgenden Strecke zwischen Calais und Terschelling-Feuer-
schiff wird der Dampfer den Strom zunächst ca 7 Stunden gegen sich und so-
dann für die zweite Hälfte der Fahrt mit haben, indessen ist die: Stärke der
Gezeit hier weniger bedeutend, nur 3 Stunden vor und 3 Stunden nach Hochr
wasser bei Dover sehen wir ihre Geschwindigkeit bis zu 2 Meilen: in der Stunde
verzeichnet. Die Stromkarten zeigen uns jedoch. für diesen Theil der Nordsee
eine Reihe von Erscheinungen, welche wir in älteren ähnlichen: Werken nirgends:
angedeutet fanden. Wir finden zunächst, wie die von: Norden kommende Fluch.