222 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juni 1893,
da wir Anzeichen haben, dafs die Spanier mit den Windverhältnissen der bezüg-
lichen Gebiete weit früher vertraut waren. Als nämlich Sarmiento 1579 den
Auftrag erhielt, die Magellan-Strafse zu beseizen, erhielt er die Instruktion, bis
zum 54. oder 55. Breitengrade, wie er es am zweckmäfsigsten halten würde,
hinabzufahren, um auf keine Weise die Strafse zu verfehlen. Nun heißt es im
Reisebericht, dieser Seefahrer sei, „um die konträren Winde an der Küste von
Chile zu vermeiden“, von Callao aus, „in einem weit nach Westen ausgreifenden
Bogen gegen Süden gefahren, worauf er das Land in 49'/%° S-Br erreichte, Ab-
gesehen davon, dafs hier von den Gegenwinden längs der Küste die Rede ist,
mufs man voraussetzen, dafs diese Route unter Voraussetzung der Existenz des
Südostpassates und der Westwinde der südlich gemäfsigten Zone entworfen wurde.
Die Eifersucht, welche zwischen den verschiedenen Seenationen bestand, hatte
die Folge, dafs die Errungenschaften auf dem Gebiete der oceanischen Schiffahrts-
regeln nicht gleich zum Gemeingut aller Völker wurden, und daher sehen wir
auch die ersten Segelanweisungen verhältnifsmäfsig spät entstehen.
Der erste Verfasser einer Segelanweisung scheint der Spanier Pedro
Garcia Fernandez gewesen zu sein, dessen Manuskript den Titel führte: „De
navegacion, derrotas, pilotaje y anclaje de mar“; wir konnten uns über diesen
Mann keine näheren Daten verschaffen, nur wissen wir, dalßs eine französische
Uebersetzung 1520 veröffentlicht und 1532 und 1571 neu aufgelegt wurde; das
spanische Original scheint jedoch nicht gedruckt worden zu sein. Ebenso blieben
ungedruckt die nächsten Schriften von Gonzalo Martin und Juan Escalante
de Mendoza. Von Ersterem stammt ein in der Biblioteca del Escorial auf-
bewahrtes, aus den Jahren 1520 bis 1556 stammendes Manuskript, betitelt:
„Derrotero para ir de Espana, desde San Inicar ä& las Indias.“
Mendoza hatte auf Grund 28)jähriger Erfahrungen ein „Itinerario de la
navegacion de los mares y tierras occidentales“ verfalst, doch widersetzte sich
der Veröffentlichung desselben das spanische Indien-Amt aus Furcht. dafs die
anderen Seefahrer davon Nutzen ziehen würden.
Die nächste Schrift ähnlichen Inhaltes bezieht sich auf den Grofsen Ocean
und stammt von dem berühmten Andres de Urdaneta (1561) her. Betitelt war
sie: „Derrotero de la navegacion que habia de hacer desde el puerto de Acapulco
para las islas de poniente el armada de S. M.“. Urdaneta gilt in der Geschichte
als derjenige, der, auf einfache Intuition hin eine gleiche Vertheilung der Winde
im Grofsen wie im Atlantischen Ocean voraussetzend, die Route von Manila
nach Neuspanien begründete. Er schlug vor, von den Philippinen aus gegen die
Ladronen und sodann gegen Japan zu steuern und letzteres Land in 36° zu
sichten; erst in 40° N-Br sollte man gegen Osten wenden. Auf der Hinreise
trachte man, von Acapulco aus den 16. Breitengrad zu erreichen, und steuere
sodann gegen die Ladronen. Doch die Nachricht über die Entdeckung des
Urdaneta bedarf einer Berichtigung. Die Coleccion de Documentos inEditos para
la historia de Espana enthält nämlich den Bericht eines Rodrigo de Agunduru
über die erste Expedition, welche die Spanier aussendeten, um die Philippinen
zu besetzen, und demselben entnehmen wir, dafs De la Törre, der aus Mexico
Verstärkungen erbitten sollte, sich vornahm, für die Reise über den Grofsen
Ocean eine ähnliche Route zu wählen, als jene ist, welche von West-
indien nach Europa führt. Er steuerte auch in dieser Absicht 1543 gegen
Norden, um die Westwinde aufzusuchen, mußte aber beim dreifsigsten
Breitengrad, von seiner Bemannung gezwungen, umkehren, weil man fürchtete,
dafs die Lebensmittel ausgingen.
Die Entdeckung dieser Route war für die Navigation von höchster Wich-
tigkeit, da durch dieselbe erst die Fahrten von den ostasiatischen Gewässern
nach Neumexico überhaupt möglich wurden. Alle früheren Philippinen-Fahrer
versuchten vergeblich den Heimweg über Darien durch den Nordostpassat; sie
wurden regelmäfsig nach den Gewürz-Inseln zurückgeworfen und geriethen in
portugiesische Gefangenschaft.
Fahren wir mit der Durchsicht der Manuskripte fort, so finden wir, dafs
sich die Regeln des portugiesischen Oberlootsen Vicente Rodriguez eines
besonderen Ansehens erfreuten. Derselbe war nur zweimal nach Ostindien
gesegelt (1568 bis 1571) und hatte dann ein „Roteiro da carreira da India“ ver-
faßt. wovon in Spanien noch mehrere Abschriften vorhanden sind. Man beachtete