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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juni 1893.
Die Errichtung einer magnetischen Warte in Verbindung mit dem Kaiser-
lichen Observatorium in Wilhelmshaven!) half dem soeben besprochenen Mangel
einigermafsen ab, allein es konnte erst einige Jahre nachher an die Auswerthung
der dort angestellten Beobachtungen in dem in Rede stehenden Sinne gedacht
werden. Unterdessen hatten auch nach dem Tode Lamont’s (1879) oder eigent-
lich nach dem Tode seines langjährigen treuen Mitarbeiters Feldkirchner,
in den achtziger Jahren die magnetischen Aufzeichnungen in Bogenhausen ihr
Ende erreicht, so dafs auch diese Basis für die magnetischen Aufzeichnungen in
Deutschland verloren ging.
Erst die internationale Polarforschung (1882/83) und die mit diesem
epochemachenden Unternehmen in Verbindung stehenden wissenschaftlichen
Arbeiten brachten, sowie allerwärts auf der Erde, auch in Deutschland in die
systematische magnetische Forschung einen frischen Zug, und es begann sich das
Interesse für dieselbe überall zu beleben. Wilhelmshaven, Göttingen und Breslau
traten in den deutschen Arbeitsplan auf diesem Gebiete mit ein und lieferten werth-
volle Grundlagen, während an ersterem Ortedie photographisch-registrirenden magne-
tischen Instrumente(Kew-Modell)nun in ununterbrochener T’hätigkeiterhalten wurden,
Seit jener Zeit ist nun auch das magnetische Observatorium in Potsdam in Ver-
bindung mit dem Königl. Preufsischen Meteorologischen Institute ins Leben
getreten, und es tritt damit die erd- und kosmisch-magnetische Forschung in
ein mehr den Forderungen der Wissenschaft genügendes Stadium der Ent-
wickelung ein. Allerdings ist damit alles das, was der heutige Stand der
Wissenschaft des Erdmagnetismus in Gemäfsheit seiner Bedeutung für die Er-
forschung der Naturkräfte fordern mulfs, noch nicht erreicht. Eine gründliche
magnetische Aufnahme des Deutschen Reiches wird zur Nothwendigkeit, wenn
wir nicht hinter den gleichlaufenden Bestrebungen anderer Nationen allzu weit
zurückbleiben wollen, und für eine solche ist wiederum die Errichtung weiterer
magnetischer Warten zu Zwecken der Reduktion der Beobachtungen ein wichtiges
Desiderat. Wenn die vorhin genannten Öbservatorien oder magnetischen Warten
auch für den Westen und für die Mitte Deutschlands die gewünschten Anhalte
geben können, so sind doch der Südwesten, der Süden und vor Anderem der Nord-
osten Deutschlands erst dann mit entsprechenden Einrichtungen genügend ver-
sehen, wenn magnetische Warten in Königsberg und in Strafsburg i. E. bestehen
werden und das Observatorium in Bogenhausen, eingedenk seiner klassischen
Vergangenheit, seine Thätigkeit auf dem Gebiete magnetischer Forschung wieder
aufgenommen haben wird.
Die deutsche Seewarte, deren Arbeitsfeld, sofern dabei der Magnetismus
der Erde in Frage kommt, nicht nach der theoretischen Richtung hin
liegt, hat gleich bei ihrem Inslebentreten die Bestimmung der Werthe der
erdmagnetischen Elemente an den Haupthafenorten in Deutschland zunächst nur
für die Ziele der praktischen Schiffahrt in ihre regelmäßige Thätigkeit mit auf-
genommen. Anknüpfend an die ersten, in neuerer Zeit in Hamburg-Altona aus-
geführten vollständigen Bestimmungen von Neumayer (1856) und Lamont (1858)?)
und später wieder (1872 bis 1875) von Ersterem, wurden seit 1875 fortlaufend
in Hamburg-Altona und von den Hauptagenturen und Agenturen Bestimmungen
der magnetischen Elemente, hauptsächlich aber nur der Deklination, vor-
genommen und auch veröffentlicht. Unseres Wissens sind an anderen Küsten-
strichen und in Verbindung mit der praktischen Navigation Beobachtungen
der Deklination nicht in gleicher Weise fortlaufend ausgeführt worden, was
diesen Veröffentlichungen einen bleibenden Werth verleihen mufßte, wenn nur
darauf Bedacht genommen wurde, dafs wenigstens eine einigermafsen Gewähr
bietende Reduktion auf eine Epoche durchgeführt werden konnte. Bei den oben
1) Siehe auch: Aus dem Archiv der deutschen Seewarte, Jahrgang I, 1878, Seite 105—106.
”) Die Beobachtungen von Neumayer wurden anf dem Reiligengeistfelde ausgeführt, was da-
mals noch, magnetisch verstanden, ganz unanfechtbar war. Lamont’s Beobachtungen wurden auf
sinem damals freien Platze nördlich. von dem Arbeitshause in Altona ausgeführt — nicht, wie irr-
thümlich neuerdings bemerkt wurde, beim Diebsteich, Diese letztere Stelle wurde seit 1873 (April)
von Dr. Neumayer gewählt, weil weder das Heiligengeistfeld, noch auch der Platz hinter dem
Arbeitshaus für diese Zwecke gewählt werden konnte. Kin Blick auf die Azimute, wie sie von
Lamont gegeben werden, genügt, um die Nichtidentität der Beobachtungsplätze Arbeitshaus und
Diebsteich zu erweisen.