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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 21 (1893)

Moderne Meteorologie. 
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(4efahr in den verschiedenen Arten Stürmen steht glücklicherweise im umgekehrten 
Verhältnifs zu ihrer Ausdehnung, Je gröfser die Ausdehnung einer Art Stürme, 
desto geringer ist die Gefahr in denselben“. - 
„Die sogen. Cyklonen, Depressionen, Wirbel oder Minima, wie sie in der 
„modernen, geläuterten“ Meteorologie abwechselnd genannt werden (meine NE- 
oder Niederdruckstürme) sind die gröfsten in Ausdehnung, aber harmlos im Ver- 
gleich mit den kleineren SE- oder Hochdruckstürmen ), wozu auch unsre Gewitter- 
stürme als mildere Formen gehören; und diese sind wieder gefahrlos im Verhältnifs 
zu den noch viel kleineren, verheerenden Wirbelstürmen: den Tornados, Wasser- 
hosen, Hagelstürmen und Wolkenbrüchen, welche unter gewissen Bedingungen 
aus den Hochdruckstürmen hervorgehen ?),“ 
Der Herr Verfasser glaubt nun, dafs die „moderne, geläuterte‘‘ Meteorologie, 
wie er sie mit Vorliebe nennt, nur dann einen Sturm erwarten lälst, wenn das 
Barometer fällt. Dafs er sich damit im Irrthum befindet, braucht Niemandem 
gesagt zu werden, der der Entwickelung der Meteorologie gefolgt ist. Nach 
Änsicht des Verfassers schwören die „modernen, geläuterten“ Meteorologen, die 
er bei jeder Gelegenheit mit seinem Spott bedenkt, nur auf barometrische Maxima 
und Minima, die fertig in unsre Atmosphäre kommen (S. 8) und darin, keinem Gesetz 
als ihrem eigenen Belieben folgend, herumspazieren (S. 45). Als Vater des Unheils 
sieht Verfasser vorzugsweise Loomis an, den er schon in früheren Schriften mit 
einer für Aufsenstehende schwer verständlichen Gereiztheit angegriffen hat. 
Unter den Lebenden wählt er aber als Vertreter der „modernen, geläuterten“ 
Meteorologie Herrn van Bebber heraus. 
Da dieses vom Verfasser aus vorhandenem Material selbst fabricirte Schlag- 
wort das ganze Büchlein durchzieht, so bietet es uns erwünschte Gelegenheit, 
uns die Frage vorzulegen, was scheidet die „moderne Meteorologie‘ wesentlich 
von der Meteorologie vor 1860? Die Antwort ist: nicht diese oder jene Theorie 
oder Ausdrucksweise für die Thatsachen, sondern die feste Unterlage der synop- 
tischen Karten, die Möglichkeit, von den augenblicklichen Zuständen wenigstens 
der alleruntersten. Schicht der Atmosphäre für ein gröfseres Gebiet der Erd- 
oberfläche ein präcises, von jeder Theorie freies Bild zu erhalten. Dieses Bild 
ist noch unvollkommen, neue, vielleicht noch ungeahnte Elemente werden mit 
der Zeit darin eingeführt werden, die Berücksichtigung der vertikalen Vertheilung 
der Phänomene und der Zustände in höheren Schichten der Atmosphäre drängt 
sich schon jetzt dafür als unabweislich nothwendig, freilich vorläufig nur in sehr 
engen Genzen möglich, auf; aber die Grundlage der synoptisch-kartographischen 
Darstellung bleibt, und Alles, was diese Grundlage anerkennt und mit ihr rechnet, 
gehört zur modernen Meteorologie. 
Eben daß Dove in seinem Alter diese Grundlage nicht anerkennen wollte, 
dafs er zum Fortschritt, welcher aufserhalb Deutschlands in den Jahren 1855 
bis 1875 sich vollzog, eine völlig abweisende Haltımg annahm, bedingte es — 
Referent stimmt darin Herrn van Bebber völlig zu — dafs sein System nicht 
nach und nach in die moderne Richtung übergeführt werden konnte, sondern zu 
einem Bau versteinerte, dessen Brocken bei der unvermeidlich gewordenen 
Umwälzung erst mit vieler Arbeit aufgeräumt werden mulfsten, um neueren 
Anschauungen Luft zu schaffen — ein Vorwurf, welcher dem Verfasser (S. 44) 
„Stark“ vorkommt, aber den Thatsachen entspricht. 
Da Loomis die ersten brauchbaren Wetterkarten zeichnete, so hat der 
Verfasser Recht, bei ihn den Anfang der modernen Richtung zu suchen; allein 
auf deren Entwickelung hat Loomis trotzdem wenig Einfluls gehabt, da diese 
ersten Arbeiten in Europa unbekannt blieben und seine späteren minder bedeutend 
waren. Viel gröfser war die Wirkung von Leverrier und Marie Davy und 
des sich daran weiterhin anschliefsenden Vorgehens der Skandinavier, 
1) Zu den Eigenheiten des Verfassers gehört, dafs er die Stürme nach den Richtungen nennt, 
wohin sie wehen: seine NE-Stürme sind unsere SW-Stürme mit fallendem Barometer, seine SE- 
Stürme unsere NW-Stürme mit steigendem Barometer, 
2) Diese Bemerkung ist für die Wirkungen der Stürme auf dem Lande treffend, nicht so 
aber auf der See. Denn den Windstölsen gegenüber hat das Schiff vor starren Objekten auf dem 
Lande den Vortheil der Nachgiebigkeit voraus, langdauernde Stürme aber mit der entsprechenden 
See können ein Schiff unentrinnbar besetzen und zur Strandung bringen, auch wenn ihre Kraft nicht 
yenügt, um auf dem Laude die geringste Zerstörung hervorzubringen. 
Ann. da. Hydr. ete.. 1893. Heft IV.
	        
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