Neue ; Seekanäle,
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nur: ca 75 km sein, also %4 von jener des Nord-Ostsee-Kanals und etwa die
Hälfte von jener des Suez-Kanals. Zu seiner Ausführung wurde im Jahre 1876
in Paris eine „Societ€ internationale du Canal interocEanique“ unter dem Vorsitz
von General Türr gegründet, die 1881 in eine Aktiengesellschaft mit einem
Kapital von 600 Millionen Francs umgewandelt wurde, mit Hülfe derer der be-
rühmte Erbauer des Suez-Kanals, Ferdinand de Lesseps, den Kanal auszu-
führen sich anheischig machte. Ursprünglich war der Kanal als reiner Durch-
stich auf Meereshöhe gedacht, also ebenso wie der Nord-Ostsee-Kanal; die von
der Cordillera gebildete, zwar nicht sehr hohe — 102 m —, aber aus felsigem,
rutschendem Gestein bestehende Wasserscheide hat indessen viel mehr Arbeit
gemacht, als erwartet wurde, und dieses sowie das Klima und finanzielle Mifs-
wirthschaft aller Art hat dabin geführt, dafs der ganze Bau am 1. April 1889
eingestellt wurde, nachdem er über 1840 Millionen Frances verschlungen hatte.
Befahrbar hergestellt sind nur kurze Strecken in der Niederung auf beiden
Seiten. Es besteht zwar seit 1887 der Plan, den Kanal in veränderter Weise,
mit 10 Schleusen, auszubauen, allein es ist fraglich, ob nach allem Vorher-
gegangenen sich Geld für diesen Zweck beschaffen lassen wird; denn selbst zur
Herstellung mit Schleusen soll der Kanal noch 900 Millionen Frances erfordern.
Bessere Aussicht auf Durchführung hat, nachdem die Projekte einer
Schiffseisenbahn bei Tehuantepec*) oder eines Kanals durch den Atrato fallen
gelassen sind, der Nicaragua-Kanal. Für den Bau desselben hat sich 1888
eine amerikanische Gesellschaft gebildet, und am 22. Oktober 1889 wurden die
Arbeiten officiell begonnen. Die Länge dieses Kanals beträgt zwar etwa das
Vierfache des Panama-Kanals, 272 km, doch ist die Beschaffenheit des Terrains
hier viel günstiger, weil der große Nicaragua-See und der bereits jetzt für kleine
Fahrzeuge schiffbare San Juan-Flufs benutzt werden können und die Wasser-
scheide sich nicht mehr als 46m über das Meer und nur 12,6 m über den
Nicaragua-See erhebt. Die Arbeiten am Kanal nehmen seit Mitte 1891, haupt-
zächlich wegen ungenügender Geldmittel, nur langsamen Fortgang, nachdem das
Jahr 1890 ganz bedeutende Leistungen und eine Aufwendung von über
3 Millionen Dollars für den östlichen Kanalabschnitt und den Hafen von Grey-
town aufzuweisen hatte. Da indessen beide grofsen politischen Parteien in den
Vereinigten Staaten dessen Herstellung in ihr Programm aufgenommen haben,
wie denn auch noch kürzlich die eminente Wichtigkeit des Unternehmens für die
Union in einer Botschaft des Präsidenten Harrison hervorgehoben worden ist,
so ist an der baldigen Durchführung desselben kaum zu zweifeln. .
Dafs der Kanal auch für Europa grofse Bedeutung erlangen mul, wird
man leicht zugestehen, wenn man bedenkt, dafs die Wegeabkürzung durch den-
selben im Ganzen noch erheblich mehr als jene durch den Suez-Kanal beträgt,
so dafs z. B. die Reise von Hamburg nach der Westküste von Mexico und
Mittelamerika auf weniger als die halbe Länge reducirt wird; dabei dürfte er
viel mehr als der Suez-Kanal auch für Segelschiffe benutzbar werden.
Die Eigenthümlichkeit des Nicaragua-Kanal-Projektes besteht darin, dafs
derselbe weniger durch Ausgraben, als durch Aufstauen hergestellt werden soll,
so dafs auf dem gröfsten Theile seines Verlaufs das natürliche Wasserniveau der
Gegend nicht, wie gewöhnlich der Fall, tiefer gelegt, sondern erhöht werden
soll, nämlich nahezu auf die Höhe des. Wasserspiegels im Nicaragua-See, 33,4 m
über Meer. Nur zur Erhaltung der Strömung ist ein geringes Gefälle vom See
aus nach den abschliefsenden Dämmen hin vorgesehen. Im kurzen westlichen
Theile handelt es sich nur um einen grofsen Damm (ca 600 m lang und 25 m
hoch), welcher das Rio Grande-Thal unterhalb der Einmündung des Tola-Thales
absperren und die beiden Flüsse zum „Tola-Becken“ aufstauen soll, das in offener
Verbindung mit dem Nicaragua-See stehen und von welchem der Abstieg zum
1) Solches Heben der Schiffe mittels Wagen auf geneigten Ebenen ist bei Binnenkanälen
übrigens schon mehrfach im Gange. Beim Elbing-Oberländischen Kanal (seit 1860) wird das Schiff
im Trocknen hinaufgeschleppt; da dies bei schwerbeladenen Schiffen nicht unbedenklich ist, befinden
sich am Monkland-Kanal in Schottland und am Chesapeake-Ohio-Kanal (seit 1876) auf den Wagen
Wasserkästen, in welche die Schiffe wie in Docks hereinfahren.