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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, März 1893,
forderlich bezeichnet war, würde, wie nicht geleugnet werden kann, ein empfind-
liches Hindernifs für den Kanalverkehr bilden, da eine solche Brücke geschlossen
werden mufs, sobald ein Eisenbahnzug oder auch nur ein Fuhrwerk die Ueber:
fahrt beansprucht, Es kam überdies in Betracht, dafs hier der Eisenbahn- und
Ühausseeverkehr zwischen den nördlich und südlich des Kanals belegenen
Gegenden, insbesondere nach der in mächtiger Entwickelung begriffenen Stadt
Kiel hin, in starkem Zunehmen sich befindet und späterhin die Unzulänglichkeit
der früher in Aussicht genommenen Verbindung noch empfindlicher würde her-
vortreten lassen. Vom technischen Standpunkt war der jetzige Plan um so mehr
zu befürworten, als an der fraglichen Stelle des Kanals eine Krümmung des
Kanallaufes unvermeidlich ist, als damit bei der grofsen Höhe der Kanalufer
den ankommenden Schiffen die Uebersicht nach der Brücke erschwert ist und
als deshalb bei der Wahl einer Drehbrücke komplicirte, unter allen Umständen
mit einer gewissen Unzulänglichkeit behaftete Signalvorrichtungen erforderlich
sein würden.
Für die neue Hochbrücke, deren Mehrkosten gegen eine Drehbrücke mit
4060 000 M. veranschlagt sind, würden die Mittel in dem Baufonds nicht geboten
sein, wenn nicht bei mehreren Ausgabetiteln des Anschlags infolge veränderter
Preis- und sonstiger Verhältnisse Ersparungen in einem Gesammtbetrage von
über 2000000 M., in sicherer Aussicht ständen. Zur Zeit ist daher trotz der
mit dem Brückenbau verbundenen Mehrkosten kein Anlafßs gegeben, wegen der
Unzulänglichkeit der Baufonds Anträge zu stellen. Die Zulänglichkeit der Bau-
mittel würde erst bestimmt in Frage gestellt sein, wenn sich übersehen läßt,
Jafs und in welchem Umfange anderweit die Erwartungen der mit der technischen
Leitung des Baues betrauten Beamten sich nicht erfüllen. Auch die rechtzeitige
Fertigstellung der neuen Schiffahrtstrafse wird durch die veränderte Ausführung
des gedachten Brückenbaues nicht gefährdet sein. Es besteht nach wie vor die
Aussicht, dafs der Kanal im Jahre 1895 dem Verkehr wird übergeben werden
können.“
Die Länge des Nord-Ostsee-Kanals wird 98,65 km betragen (Suez-Kanal
160 km), von welchen 62,15 auf gerade Strecken entfallen. Das Kanalprofil hat
bei niedrigstem Wasserstande in 6,17m Tiefe unter dem Wasserspiegel eine
nutzbare Breite von 36 m, so dafs die gröfsten Ostseedampfer, welche mit ver-
einzelten Ausnahmen nicht über 6 m Tiefgang und 12 m Breite haben, aneinander
vorbeifahren können. Für die gröfsten Kriegsschiffe sind, aufßser den Obereider-
Seen, sechs Ausweichestellen vorgesehen. Die Sohlenbreite des Nord-Ostsee-
Kanals beträgt in den geraden Strecken 22 m, die Breite im Wasserspiegel 65
bis 80 m. Die Breitendimensionen des Suez-Kanals waren bisher ungefähr die-
selben, jetzt wird dessen Sohle auf 36 m verbreitert, Da jedoch die Dimensionen
der durch den Suez-Kanal verkehrenden Dampfer durchschnittlich viel größer
sind als die der Ostseedampfer, so ist bis jetzt das Ausweichen doch nur an
wenigen Stellen möglich. Die Tiefe des Suez-Kanals betrug anfangs 8 m, jetzt ist
sie überall auf 8,5 m gebracht, und eine weitere Vertiefung auf 9 m ist beschlossen.
Besonders interessant sind die Niveauverhältnisse des Nord-Ostsee-Kanals,
Der Kanal bildet bekanntlich einen Durchstich und erhält nur an den beiden
Enden Schleusen, um ihn jederzeit gegen die stark wechselnden Wasserstände
der Nordsee und Ostsee absperren und so die Tiefe des Fahrwassers und die
Strömung reguliren zu können.
Der mittlere Wasserstand im Kanal wird ungefähr gleich dem mittleren
Wasserstande des Kieler Hafens sein. Bedeutende Schwankungen kommen in
diesem durchschnittlich nur an etwa 25 Tagen im Jahre vor, so dafs die Schleusen
dei Holtenau fast immer offen sein werden.
An der westlichen Mündung bei Brunshausen werden die Schleusen in
jeder Tide erst geöffnet werden, sobald bei der Ebbe der normale Kanalwasser-
stand erreicht ist; dann können sie täglich zweimal 3 bis 4 Stunden geöffnet
bleiben. Zu anderen Zeiten ist ein Hinaufschleusen der Schiffe aus dem Kanal
und Hinunterschleusen in denselben nothwendig.
In der Skizze auf Seite 99 giebt die voll ausgezogene Linie die größte,
die die Schraffur oben begrenzende die geringste und die gestrichelte Linie die
mittlere Wasserhöhe im Kanal an. Wie man sieht, werden die Schwankungen
des Wasserstandes im Kanal selbst sehr gering sein, und wird zur Zeit des