412 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Dezember 1892.
wohl vorkommen könnte, ohne denselben einlaufen zu müssen, so gebe ich eine
kurze Beschreibung, wie ein Schiff hier in den Hafen gebracht wird.
Sobald nach dem Zollhaussignal genug Wasser auf der Barre ist, steuere
man recht zwischen der schwarzen und rothen Boje durch und halte genau auf die
weiße Bake zu, die sich am Nordeingang des Hafens befindet. Diese Bake ist
ein viereckiger Kasten, der auf vier eisernen Beinen ruht, alles weiß gestrichen
und ungefähr 10 m hoch. Man sichtet jetzt bald die Hafenboje, eine rothe Boje,
überragt von einem runden schwarzen Ball. Diese Boje läfst man dicht an St. B.
passiren und hält von hier aus dicht am Nordufer des Hafens entlang.
Man vertäut das Schiff am besten mit 45 Fad. vor Fluth- und 30 Fad.
vor Ebbanker und mufs achtgeben, dafs das Schiff so zu liegen kommt, dafs es
beim Herumschwingen ungefähr eine halbe Schiffslänge frei vom Ufer geht. Die
besten Ankerplätze sind von eben innerhalb des Zollhauses bis nach Douglas-
Boje (schwarze Privatboje für Douglas-Dampfer). I
Da bei lange anhaltendem Regen in der Winterzeit der Ebbestrom mit-
anter sehr reifßsend wird, 80 sollten Schiffe wenn möglich noch einen Reserve-
anker klar machen zum Fallen, oder Dampfer sollten Dampf aufhalten für den
Fall, daß sie ins Treiben kommen, da der Ankergrund hier nicht besonders
gut ist.
Tamsui-Hafen hat zwei Leuchtfeuer.
Erstens das sogenannte High Bar light, welches sich auf einem Hügel im
Norden des Hafens befindet. Es ist ein festes weißes Feuer 6. Ordnung, unge-
fähr 142 engl. Fufs (43 m) über Hochwasser, und ist sichtbar von S 52° O durch
Ost bis N 68,5° O auf eine Entfernung von 10 Sm.
Zweitens das Low Bar light befindet sich auf der oben erwähnten weifßsen
Bake am Eingang des Hafens. Es ist ein festes Feuer und zeigt ein grünes
Licht von S 59° O0 bis S 84° O, ein weifses Licht von S 84° O0 bis N 86° O0 und
ein rothes Licht von N 86° O bis N 61° O0.
Die beiden weißen Feuer in Linie gehalten bezeichnen bei Nacht das
Fahrwasser über die Barre.
Tamsui-Stadt oder Hu-wei ist eine lebhafte Chinesenstadt und liegt von
der Seeseite aus am linken Ufer des Flusses. Man kann hier alle Handwerker,
sowie Arbeitsleute bekommen. Es giebt hier mehrere chinesische Compradore,
die Fleisch, Geflügel und Vegetabilien zu billigen Preisen an Bord liefern. Auch
sind hier schöne Austern sehr wohlfeil.
Mufs man Wasser einnehmen, so kann man in der Regenzeit bei starker
Ebbe von aufsenbords einpumpen, sonst ist es brack. ‚Hat man hierzu keine
Gelegenheit, so schickt der Comprador Wasserboote an Bord. Der Ballast be-
steht hier aus Steinen oder Sand, und liefert denselben ebenfalls der Schiffs-
comprador.
An Behörden befinden sich hier der britische Konsul und sein Vertreter.
Dieser (jetzt ein Deutscher, Herr Peters) wohnt in einem alten, rothen, hollän-
dischen Fort, welches am Nordende des Hafens liegt und sofort ins Auge fällt.
Der Konsul selbst wohnt in einem schönen neuen Konsulatshaus, welches neben
dem alten Fort erbaut worden ist.
Die chinesische Zollbehörde besteht hier aus dem Custom-Commissioner (da-
mals Dr. Hirt, ein Deutscher), ferner dem Hafenmeister (damals ein Engländer,
Kapt. Stevens) und vier Tidewaiters. Diese haben ihren Wohnsitz im Zoll-
haus, welches dicht am Eingange des Hafens liegt und leicht kenntlich ist an
dem hohen Flaggenmast mit Signalraa. Man darf ohne Erlaubnifßs nachts und
an Feiertagen nicht laden und löschen; am Tage ist ein Zollbeamter an Bord
als Wache.
Beim Zollhause wird jeden Sonnabend ein Zeitschufßs abgefeuert um
12% 0* 0° mittl. Tamsui-Zeit. Derselbe fällt nach einem Chronometer, das vom
Hafenmeister regulirt wird. Ich fand jedoch den Zeitschufs öfters um einige
Sekunden verkehrt, so dafs ich rathen möchte, sich nicht zu stark darauf zu
verlassen. Es ist vielmehr besser, den Stand des Chronometers hier nach selbst-
beobachteten Höhen zu reguliren, was jedoch nur möglich ist, wenn man nicht
zu weit nach binnen im Hafen liegt, so dafs die Kimm im Westen sichtbar ist.
Die Position des Flaggenmastes beim Zollhaus ist genau zu 25° 10‘ 23“ N-Br und
121° 25'831” O-Lg v. Gr. bestimmt.