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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 20 (1892)

Die Entdeckung Amerikas, ein "Wendepunkt im Verkehr der Völker der Erde. 
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Ereignifs von der höchsten Bedeutung für den Völkerverkehr und zwar nicht 
allein für die Kenntnifs der Geographie Asiens und die Entwickelung des Handels 
mit dem fernen Osten, sondern auch mit Bezug auf die den ganzen Weltverkehr 
umgestaltende Entdeckung Amerikas. -Es ist dies die Reise des Venetianers 
Marco Polo nach dem Hofe des mächtigen Mongolenkhans Kubilai in den 
Jahren 1280—1297. Marco Polo, der sich schon auf einer früheren Reise mit 
zweien seiner Verwandten nach Kathai begeben hatte und nach Europa, reich 
an Erfahrungen, zurückgekehrt war, schilderte die Pracht der gesehenen Länder 
im fernen Osten, besonders der Stadt Quinsay, in den glühendsten Farben und 
veranlafste auf diese Weise die nochmalige Sendung, die ihn schiefslich zur 
Würde eines Grofswürdenträgers des Kubilai-Khan gelangen lassen sollte, in 
welcher Stellung er Gelegenheit hatte, unbeschränkt Forschungsreisen in den 
Ländereien des Grofskhans 'auszuführen und KErkundigungen einzuzichen selbst 
über das Land Zipangu, fern nach Osten hin von den Gestaden der Reiche des 
Khan gelegen. Es ist bekannt, dafs Marco Polo im Jahre 1297 den Rückweg 
nach Venedig zur See ausführte, bei welcher Gelegenheit er die Inseln Java und 
Socotra kennen lernte, und dafs er, nach Hause zurückgekehrt, jene berühmten 
Schilderungen verfaßfste, welche zwar bei den Zeitgenossen keinen Glauben 
fanden, wohl aber 200 Jahre später die Phantasie des Kolumbus in einem 
Mafse anregten, dafs man mit Recht sagen kann, es sei in diesen Schilderungen 
die Haupttriebfeder für sein Unternehmen zu erkennen; wir werden später noch 
darauf zurückkommen. 
Die Verbindung von dem Abendlande nach China entwickelte sich nach 
des Marco Polo Reisen in rascher Weise, und um das Jahr 1340 erfahren wir 
durch das Werk Balduceci Pegolotti’s Näheres über die Routen, welche man, 
von Italien ausgehend, durch Innerasien verfolgte, Der Florentiner Pegolotti 
reiste in Handelsinteressen für das Haus Bardi und gab eine genaue Schilderung 
des zu verfolgenden Weges, wodurch man zuerst eine Vorstellung von der Aus- 
dehnung und den Schwierigkeiten der Reise erhielt!) Im Laufe der folgenden 
Jahrhunderte wurde nach und nach der Ueberlandverkehr mehr und mehr 
geregelt, allein immerhin blieb derselbe von mancherlei Umständen abhängig 
und mit vielen Schwierigkeiten verknüpft. Von allen übrigen Handelsrouten 
der Erde um jene Zeit ist jedenfalls die soeben beschriebene die interessanteste. 
Ueber die Karawanenzüge in den Nil-Gegenden nach dem Innern Afrikas und in 
Vorderindien würde Manches von Interesse des Näheren angeführt werden 
können; wir müssen uns aber auf die hier folgenden Notizen beschränken. Es 
muß zur Vervollständigung dessen, was über die Verkehrsverhältnisse in der 
präcolumbischen Zeit gesagt worden ist, noch Einiges über die Verbindungen 
nach Innerafrika hinzugefügt werden. Es läfst sich die Südgrenze des 
afrikanischen Binnenlandes, soweit es von den Alten bekannt war, nur schwierig 
feststellen. Die grofse Wüste setzte hier eine schwer zu bewältigende Schranke.) 
Dadurch, dafs Kunde von dem Niger nach Europa gedrungen war und dieser 
Fluß mit dem Nil in Verbindung gebracht wurde, kamen ganz unklare geo- 
graphische Begriffe in die Anschauungen. Wir wissen nur so viel, dafs Karawanen- 
züge bis in das subäquatoriale Afrika vorgedrungen sein müssen, wenn wir die 
Darstellungen des Ptolemaeus als auf einer einigermafsen sicheren Grundlage 
beruhend auffassen wollen. Zweifellos war das Wesentlichste über die Kenntnifs 
des östlichen Theiles von Afrika auf Mittheilungen der an der ostafrikanischen 
1) Die Reiseroute Pegolotti’s folgt der Handelsstrafse vom Schwarzen Meere bis China. 
Von Tana aus wurde in 25 Tagen auf einem mit Ochsen bespannten Wagen Astrachan erreicht. 
Von dort nach Sarai an der Wolga, welches die Hauptstadt des Reiches Kiptschak war, brauchte man 
einen Tag (?) und acht Tagereisen nach Saracanco am Ural-Flufs, wo Kameelwagen gemiethet 
werden mulsten, um in 20 Tagen nach Organci (dem heutigen Urgendsch) zu kommen. Weitere 
35 bis 40 Tage mit Kameelwagen brachten die Reisenden nach Oltrarre, in der Nähe der heutigen 
Sıadt Turkestan; dann ging es mit Eseln in 45 Tagen nach Amalec, d. i, Almalik (Mi), und 
dann in 70 Tagen nach Camexu (Khou-Tschou-Fu); nach weiteren 45 Tagen zu Pferde erreichte 
man Cassai oder Quinsay, in 30 Tagen mehr die Reichshauptstadt. Es geht daraus hervor, dafs 
unter den günstigsten Umständen um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Reise von den Ufern 
des Schwarzen Meeres bis zur Hauptstadt des grofsen Khan 275 Tage in Anspruch nahm (v. Richt- 
hofen, China, I. Band, Seite 612 f££.). . 
2) Kretschmer, Die Entdeckung Amerikas in ihrer Bedeutung für die Geschichte des Welt- 
bildes (Festschrift) Seite 26 u, £.
	        
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