Die Entdeckung Amerikas, ein Wendepunkt im Verkehr der Völker der Erde. 395
war, so ist es geradezu unmöglich, anzunehmen, dafs die Aufzählung gehaltloser
und alberner Argumente, welche uns durch Bernaldez und Las Casas über-
kommen sind, irgend wohlbegründet sei; vielmehr hat es den Anschein,
als wenn Columbus, der sich vorzugsweise auf die Verquickung biblischer
Belege mit unklaren philosophischen Anschauungen verlegte, die eigentlichen
Einwürfe, welche ihm gemacht worden sind, nicht widerlegen konnte, und des-
halb auch verschwieg. In schlecht verstandenem Interesse des grofßsen Mannes
haben es die genannten Autoren übernommen, die Besprechungen, denn eigent-
liche Berathungen in einer Junta haben wohl nie stattgefunden, der Lächer-
lichkeit preiszugeben. Zu bedauern ist es, dafs diese Auffassung‘ der Sache auch
noch in die Schriftstellerei der modernen Zeit Aufnahme gefunden hat; denn
schon Oskar Peschel hat in seiner Geschichte des Zeitalters der grofsen Ent-
deckungen vor nahezu 40 Jahren den Ausspruch gethan, dafs man sich hüten solle,
gering zu denken von den Besprechungen in Salamanca, und daran die Bemerkung
geknüpft, daß man bedenken müsse, daß Columbus durch ein Gewebe von
Irrthümern die Neue Welt entdeckt hätte. Wir haben bei diesem Ereignisse
in der Geschichte des Christoph Columbus etwas länger verweilt, weil es
zur Darlegung der wissenschaftlichen Anschauungen in Spanien um jene Zeit,
welche wiederum ein Verständnifs für die darauf folgende Entwickelung bedingt,
von Wichtigkeit schien. Man darf dabei nicht vergessen, dals zwar das mauri-
tanische Reich in Spanien um jene Zeit schon sehr im Rückgange begriffen war
und in der That, kurz vor der Abreise des Columbus von Palos, in Trümmer
ging, aber die Mathematiker der Araber, welche infolge der Pflege der Wissen-
schaft durch das Khalifat im 9. Jahrhundert eine bedeutende Stellung einnahmen,
überall in Europa, und so auch in Spanien, auf die Pflege der mathematischen
Wissenschaften erfolgreich einwirkten. Es genügt, zum Belege dieses Satzes
daran zu erinnern, dafs die meisten Uebersetzungen aus dem klassischen Alter-
t$hume durch arabische Gelehrte ausgeführt und erst wieder durch Ueber-
iragung in das Lateinische oder eine andere Sprache dem westlichen Europa
zugänglich gemacht wurden.!) Erst mit der aufblühenden Wissenschaft in Italien
begann es auch in Beziehung auf die uns hier zunächst interessirenden Wissen-
schaften in Europa erfreulicher auszusehen. Bekanntlich wurde der Euklid Ende
des 15. Jahrhunderts zum ersten Male aus dem Griechischen in das Italienische
übertragen; während früher nur arabische Texte bekannt waren. Das Verdienst,
diesen wichtigen Fortschritt herbeigeführt zu haben, gebührt Zamberti in
Venedig, der auch um das Jahr 1505 den Druck dieser Arbeit bewirkte.
Aehnlich, wie mit dem Studium der Methoden in der mathematischen
Forschung und so auch jener der Nautik, erging es mit den Instrumenten, welche
den Zwecken der Letzteren zu dienen hatten. Tafeln für nautisch-astronomische
Zwecke und Astrolabien wurden auf diesem Wege eingeführt, so dafs, auf dem
damals Bekannten fußend, von Don Henrique und später von der Junta der
Mathematiker in Lissabon weiter gebaut werden konnte. Auch ist es bekannt,
daß König Alphons der Weise die seinen Namen tragenden nautischen Tafeln
nach den Rathschlägen gelehrter Araber, welche mit dem „Almagest“ wohl
vertraut waren, berechnen liefs.
Wenn wir aus der Geschichte des chinesischen Reiches erfahren, dafs
Nestorianer-Missionare schon im 7. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung (638)
in China lebten und für die Ausbreitung des Christenthums wirkten, wenn
wir ferner erwägen, dafs der Weg über Land von China nach Rom um jene
Zeit nicht gewählt werden konnte, so finden wir nur in dem durch die Araber
angebahnten und durch Jahrhunderte unterhaltenen Verkehr zur See von dem
Rothen Meere nach der Bucht von Tongking hierfür eine Erklärung. Bei den
dürftigen nautischen Hülfsmitteln jener Zeit konnte von einer anderen Fahrt zur
See, als einer Küstenfahrt (Cabottaggio) nicht die Rede sein. Immerhin aber
diente dieser für die Civilisation so unendlich wichtige nautische Verkehr dazu,
die Principien der Navigation in solcher Weise auszubilden, dafs sie in gewissem
1) Clements Markham, A life of John Davis Seite 142: Hence the system of Ptolemy
was the text-book of the Middle Ages, and the study of his great work, translated into Arabic
ander the name of „Almagest“, was the foundation of astronomical knowledge down almost to
Ihe time of Davis.