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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 20 (1892)

Die grofsen Strömungen des atmosphärischen Kreislaufs. 
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durch die örtliche Richtung der Schwere bedingt werden, nicht durch die Ent- 
fernung vom Erdmittelpunkt; sowie dafs die örtliche Richtung der Schwere 
bestimmt wird durch den örtlichen Werth der Centrifugalkraft infolge der Um- 
drekung um die Erdachse, deren Geschwindigkeit davon abhängt, ob der 
betreffende Körper einmal in 24 Stunden um diese Achse läuft, wie es die 
Erdoberfläche thut, oder in erheblich kürzerer Zeit, wie die ostwärts wehenden 
Winde es thun. Hätte die Erde keine Rotation, so würden die jetzigen Niveau- 
flächen polwärts geneigte Flächen genannt werden. Die Winde, welche in Ost- 
wärts-Bewegung begriffen sind, müssen die Meeresoberfläche als einen äquator- 
wärts gerichteten Abhang betrachten, und den schnellen Winden der grofsen 
Wirbel um die Pole müssen sogar die unteren Gradienten der Atmosphäre als 
Abhänge erscheinen, die zum Aequator und nicht zum Pole abfallen. 
„Nur die unteren Winde, deren Geschwindigkeit abgeschwächt ist durch 
Reibung an der Erdoberfläche, sehen die Gradienten ebenso an wie wir, und 
gehorchen ihnen, indem sie schräg (spiralig) zum Pole sich bewegen. Das ist 
kein Gegenstand, welcher mathematischer Darstellung zu seiner Demonstration 
bedarf, Die rationelle Auffassung des Vorganges, auf welche die Beweiskraft 
jeder mathematischen Behandlung sich stützen mufs, genügt, um zu zeigen, dafs 
isobarische Flächen, deren Anordnung blofs durch Temperaturunterschiede bedingt 
ist, nicht mit denen übereinstimmen können, welche durch die ablenkenden 
Kräfte der Erdrotation umgeformt sind, sowie ferner zu zeigen, dafs diese Um- 
formung nie so weit gehen kann, daß sie die meridionalen oder konvektiven 
Komponenten der Bewegung, auf deren Existenz alle die übrigen Bewegungen 
beruhen, gänzlich aufheben könnte, wenn sie auch dieselben sehr verzögern kann, 
Der Leser des vorliegenden Werkes kann zu keinem anderen Schlufßs kommen, 
als dafe die Wesenheit des Kreislaufs der Winde so ist, wie hier dargestellt, 
und die von Supan und Anderen erhobenen Zweifel werden dann nicht länger 
als Einwände gegen Ferrel’s Theorie angesehen werden. | 
„Der thatsächliche Kreislauf der Winde über Kontinenten und Oceanen 
wird in hohem Maße verwickelt durch jahreszeitliche und örtliche Einflüsse, 
sowie durch die Anwesenheit zahlreicher eyklonischer Wirbel, welche in beständiger 
Aufeinanderfolge um jeden der Pole ziehen. Aber die ideale tellurische Cirku- 
lation ist vergleichsweise einfach. 
„Eine der noch offenen Fragen ist jene nach der geographischen Breite, in 
welcher der obere, polwärts abfliefsende Strom vom Aequator eine direkt zum Pol 
gerichtete Bewegung hat, Diese Breite ändert sich jedenfalls mit der Erhebung, 
aber sie scheint sich nicht mehr als zehn Breitengrade vom Aequator zu ent- 
fernen; denn auf einem polwärts gerichteten Gradienten und mit einer Ablenkung 
nach rechts — welche beide aufser Zweifel stehen — kann der obere Abflufs 
nicht lange die westwärts gerichtete Komponente der Bewegung behalten, welche 
er über dem Aequator besitzt, und in der That ist die schräge, nach dem Pol 
und nach Osten gerichtete Bewegung des Oberstromes häufig beobachtet worden 
am Wolkenzuge und auf Bergspitzen im sogenannten Antipassat“. 
Diese Angliederung der grofsen westlichen Luftströmung an den Passat 
verdient ein besonderes Interesse. Herr W. v. Siemens hat im Jahre 1886 die 
Ansicht ausgesprochen, dafs zwischen 35° N-Br und 35° S-Br in allen Höhen 
östliche Winde wehen müfsten und erst aufserhalb dieser Zone westliche. Allein 
sowohl die Beobachtung, als die richtige Theorie lehren, dafs die polare Grenze 
der östlichen Winde um so näher zum Aequator rücke, je höher wir uns in die 
Atmosphäre erheben. Nur durch ein Mifsverständnifs hat Professor Pernter in 
einem Vortrag im Jahre 1889 die Oberbeck’schen Entwickelungen als Stütze 
dieser Ansicht anführen können, indem er von den zwei Gliedern, in die Oberbeck 
die west-östliche Komponente zerlegt (O0, und 0,), das zweite vernachläfsigte. 
Im Gegentheil geben Öberbeck’s Formeln die Verschiebung der Grenzlinie mit 
der Höhe ganz ausdrücklich. Diese Formeln sind so lehrreich, dafs wir sie hier, 
mit etwas veränderter Bezeichnungsweise, mittheilen möchten, Zu Grunde gelegt 
ist die — der Erfahrung in den Hauptzügen entsprechende — Annahme, dafs 
die Temperatur über die Erdoberfläche in der Weise vertheilt sei, dafs 
T=A+B (1— 3sin*g) 
worin © die geographische Breite, A und B Konstanten sind. Bei dieser An- 
nahme liefert die Rechnung für die drei Strömungs-Komponenten eines Punktes
	        
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