Die grofsen Strömungen des atmosphärischen Kreislaufs.
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Schweden, nördlich von 60° N-Br
Schweden, südlich von 60° N-Br
England . . ..
Berlin. . . .
Paris . . .
Canada . . . .
Oesterreich-Ungarn . . . 2.
Westliches Mittelmeergebiet .
Winter
W38°N
W48° N
W 10° }
WI16°XN
W12° N
W 8°N
W 5°N
W29° N
Frühling Sommer Herbst
W31°N W 4°N W20°N
W36°N W 8°S WI13°N
W 2°N W1°S W 6°N
W12°N W 5°S5 W 8°&
W W16°S W 1°8
W14°N W 3°S WI12°N
W14°S W 5°8S W
W15°N W12°N WI3°N
Dagegen ist die in den höchsten Schichten vorausgesetzte südwestliche
Strömung der Beobachtung fast unzugänglich, weil in diesen Höhen nur sehr
wenig Wasserdampf vorhanden ist und dessen Kondensationen daselbst nur unter
besonders günstigen Umständen überhaupt sichtbar werden.
Jene nordwestliche Rückströmung vom Pol nach dem Aequator bietet
aber der Auffassung anscheinend sehr grofse Schwierigkeiten dar, Denn der
Luftdruck nimmt im Meeresspiegel erfahrungsgemäfs von 30° nach 60° ab, be-
sonders auf den Oceanen der nördlichen und auf der ganzen südlichen Halb-
kugel, Da aber die Atmosphäre unter 30° Breite entschieden wärmer ist als
unter 60° und der Luftdruck mit der Erhebung langsamer abnimmt in warmer
als in kalter Luft, so mufs dieser Druckunterschied durch die ganze Atmosphäre
reichen und nach oben zu immer stärker werden. Wenn sich also unter solchen
Umständen Luft von 60° nach 30° Breite bewegen soll, wie es in den mittelhohen
Schichten regelmäfsig der Fall sein soll, so mufs sie dieses gegen den Gradienten,
d. h. von geringerem zu gröfserem Luftdruck fortschreitend, thun. Derartigen
Bewegungen gegen den Gradienten hat denn auch Sprung in seinem bekannten
„Lehrbuch der Meteorologie“ einen besonderen Abschnitt gewidmet, mit dem er
aber bei manchen Meteorologen Anstofs erregt hat. Und doch ist eine andere
Annahme gar nicht möglich, denn es ist klar, dafs die Luft, welche am Erdboden
aus niederen nach höheren Breiten strömt, auch wieder nach niederen Breiten
abgeführt werden mul, da wir sehen, dafs der Druckunterschied erhalten bleibt;
die nordwestlichen Winde, welche wir an den Ostküsten Asiens und Amerikas
finden, reichen hierzu nicht aus, ein Gradient von 60° nach 30° hin findet sich
aber um so weniger vor, je höher wir uns in die Atmosphäre erheben.
Der von Ferrel entdeckte, gar nicht so schwierige Ausgang aus diesem
Dilemma kann wohl nicht mit klareren Worten gezeigt werden, als es Professor
W. M, Davis 1890 in einem Referat über Ferrel’s Buch über die Winde ge-
than hat, und wir führen deshalb seine Worte hier an.
„Es giebt in Ferrel’s Theorie der atmosphärischen Cirkulation einen
Punkt, welcher nicht allgemein gewürdigt worden zu sein scheint, Wir können
denselben vielleicht am besten durch die Schilderung der Mifsverständnisse er-
kennen lassen, welche sich an ihn knüpfen. Professor Supan, der Redacteur
von Petermann’s Mittheilungen, dessen ausgedehnte Referate uns das beste
Mittel sind, um den Fortschritten der Geographie in allen ihren Zweigen zu
folgen, bezog sich vor vier Jahren auf Ferrel’s Theorie in einer Anzeige von
Sprung’s „Lehrbuch der Meteorologie“. Er äußerte, dafßs die Vertheilung des
Luftdrucks die Ursache, nicht die Wirkung der Luftbewegung sei, und dafs, weil
der Druck an den Polen niedrig und an den Wendekreisen hoch sei, der hypo-
thetische Rückstrom von den Polen zum Aequator nicht existiren könne, da er
sich gegen den barometrischen Gradienten bewegen. müfste.!‘) Dieselbe Frage
ist von Herrn L6on Teisserene de Bort aufgeworfen worden, einem der
Fachmänner des Bureau Central Meteorologique de France. In einer Studie
über die allgemeine Cirkulation der Atmosphäre?) sagt der Verfasser: „Herr
Ferrel erklärt nicht die Ursache des zum Aequator gerichteten Gradienten, und
ein solcher ist doch nothwendig für den Rückstrom vom Pol zum Aequator,
welchen er in die mittleren Höhen der Atmosphäre verlegt. Dieser Gradient
ist um so schwieriger zu erklären, als der Druck im Meeresniveau nach dem
Pole hin abnimmt und eine ähnliche Abnahme auch in der Höhe existiren muls,
‘) Petermann’s Mittheilungen, Literaturbericht, 1886.
N Ann. Bur. Centr. Met. 1885, Theil IV... Met. generale.