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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, November 1892.
ti. Wirbelsturm im Mai 1863 in 77° bis 87° 0-Lg.
(Hierzu Tafel 6.)
Orkane im Mai sind im westlichen Theile des Südindischen Oceans so gut
wie vollständig unbekannt. Selbst im April sind sie auf Mauritius und dem um-
liegenden Meere ganz aufserordentlich selten; und da unser Wissen von den
Orkanen im südlichen Indischen Ocean hauptsächlich von Mauritius stammt, so
halten sehr viele Schiffsführer einen Orkan im Mai südlich von der Linie für
ganz’ außer Betracht liegend. Allein die Erfahrung zeigt, dafs in der Nähe von
0° oder 85° Länge und 7° bis 15° Breite die Orkangefahr im April und Mai
keine so ganz geringe ist, und da durch diese Gegend die Routen sowohl der
Segelschiffe nach und von der Bai von Bengalen als der deutsch-australischen Post-
dampfer führen, so ist eine eingehende Analyse der Beobachtungen und Manöver
der zahlreichen, in den vorliegenden Wirbelsturm verwickelten Schiffe von nicht
geringem Interesse auch für die deutsche Schiffahrt, um so mehr, als eine Anzahl
dieser Schiffe zweimal in die Cyklone hineingerathen sind und das Centrum
ein- oder mehrmal umkreist haben. Das Material dazu bietet uns der Bericht
über diese Cyklone, welchen Meldrum in den „Proceedings and Transactions of
the Meteorological Society of Mauritius, Volume VI“ veröffentlicht hat.
Im Eingange dieses dem Verein bereits im August 1863 vorgelegten
Berichtes sagt Herr Professor Meldrum: „Allem Anscheine nach sind die
Kapitäne der Schiffe, welche in die Nähe dieser Erscheinung kamen, nicht
wenig in Erstaunen gesetzt gewesen über das späte Eintreten derselben.
„Der Wirbel nahm seinen Ursprung in ungefähr 8° S-Br und 80° bis
85° O-Lg und ging vom 12. bis 17. Mai westwärts, dann bis zum 20. Mai süd-
wärts und südostwärts. Auf Mauritius berechtigten die Wetteranzeichen aller-
Jings eine Annahme auf schlechtes Wetter im Osten, jedoch glaubte man nicht, noch
zo spät in der Jahreszeit, an einen Wirbelsturm. Die Berichte der bald darauf
einlaufenden Schiffe, die gröfstentheils schwere Havarien erlitten hatten, gaben aber
volle Gewifsheit über einen solchen.“
Wir können Herrn Prof. Meldrum nicht genug Dank wissen, dafs er uns
von seinem günstigen Beobachtungs- und Sammlungsort Mauritius aus durch die
Veröffentlichung der ihm zugänglich gewesenen Schiffsjournale ein Material ge-
liefert hat, wodurch wir in den Stand gesetzt sind, genau den Verlauf solcher
Erscheinungen verfolgen zu können. Für die ersten Tage haben wir die Beob-
achtungen in synoptische Karten eingetragen, und zwar sind diese Daten dort,
wo direkte Windangaben in Stärke und Richtung für eine bestimmte Breite
und Länge vorlagen, an dem betreffenden Ort eingezeichnet, allgemeiner ge-
haltene Angaben des Originals über die Winde aber durch große Pfeile angedentet.
Wir haben die Anführung auch dieser letzteren für geboten erachtet, um einen
Einblick in die allgemeinen Wind- und Wetterverhältnisse zu geben. Weiterhin
wollen wir den Verlauf der Erscheinung in einer anderen Darstellungsweise ver-
folgen, unter besonderer Berücksichtigung der von den verschiedenen Schiffen
im Orkan und dessen Nachbarschaft angewandten Manöver,
Wir lassen die Liste der Schiffe voraufgehen, deren Beobachtungen zu
dieser Arbeit verwendet worden sind:
a) Bark „Tjielingsie“, Kapt. Ouwehand. b) Bark „Lochnagar“, Kapt.
Chester. c) Schiff „James Russel“, Kapt. Muir. d) Schiff „Glendevon“, Kapt.
Brown. e) Schiff „Sugar“, Kapt. Ventrillon. f) Brigg „Ibis“, Kapt. Rodri-
guez. g) Brigg „Adela“, Kapt. Symons. h) „Earl of Dalhousie“, Kapt. Camp-
bell. i) Schiff „Seinde‘“, Kapt. Shrewsbury. k) Schiff „Herald“, Kapt. Me.
Grath. 1) „Alice Maud“, Kapt. Gibbs. m) „Fairy“. un) Schiff „British Lion“,
Kapt. W. Smith. o) Schiff „Fez Rabanee“, Kapt. Hugon. p) Schiff „Nonpa-
reil“, q) Schiff „Turkey“, Kapt. W. W. Pole. r) Schiff „Rajasthan“, Kapt.
Wilson. s) Schiff „Mercury“, Kapt. E. Lowndes. t) „Countess of Elgin“,
Kapt. Stretton. u) Brigg „Kestrel‘“, Kapt. Davis. v) Schiff „Reigate“, Kapt,
Deas. w) Bark „Louisa“, Kapt. Boyle. x) Schiff „Sphinx“. y) Schiff „Ma-
thilda‘“, Kapt. Stevenson. z) Schoner „Matchless“, Kapt. Nicolin.
Am 8. Mai 1863 sehen wir auf den nebenstehenden Kärtchen, wie zwischen
dem Aequator und 10° Süd und den Meridianen 80° und 90° Ost ein Gebiet mit