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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 20 (1892)

308 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, September 1892. 
Einsenkung des Schwarzen Meeres die Richtung von SW nach NO besitzt, also 
parallel der Hauptfalte des Krim’schen Gebirges. Die Beobachtungen über die 
Wassertemperatur wurden in diesem Jahre im Mai und August angestellt, im 
vorhergehenden im Juni und Juli. Dies gab Herrn Spindler die Möglichkeit, 
Schwankungen der Wassertemperatur und ziemlich grofse Unterschiede in deren 
Vertheilung nachzuweisen. Im August findet sich die niedrigste Temperatur auf 
einer grösseren Tiefe als im Mai; wir haben nämlich im Mai 6,9° in der Tiefe 
von 30 engl. Fad. (54 m), im August 7,1° in der Tiefe von 35 bis 50 Fad. (63 bis 
90 m), und von 35 bis 100 Fad. Tiefe ist die Temperatur im August niedriger als 
im Mai. Ferner ist in einer Tiefe von 50 Fad. im Mai außer der Temperatur 
auch der Salzgehalt erheblich größer als im August. Sehr wichtig sind ferner 
die Beobachtungen der Expedition im Mai in einem Abstande von 4 Sm vom 
Eingang in den Bosporus: hier wurde in einer Tiefe von 40 Fad. (72 m) Wasser 
von der Temperatur 11° und vom Salzgehalt 3,4 % gefunden, mit einem Worte 
viel wärmeres und salzigeres Wasser als das, welches uns in grofsen Tiefen 
des Schwarzen Meeres begegnet. Aus dem Vergleich der 1890 und 1891 
gewonnenen Ergebnisse geht klar der Satz hervor, welchen Spindler ausspricht: 
„In einem halbjährigen Zeitraum, d. bh. vom Ende des Januar oder Anfang 
Februar, zu welcher Zeit durchschnittlich die Temperatur der Oberfläche ihren 
niedrigsten Werth erreicht, bis zum Anfang August, wenn sie ihr Maximum da- 
selbst hat, dringen die jährlichen Aenderungen der Temperatur nicht tiefer als 
100 Fad. (180 m) ein; so bildet denn im Mittel die 100-Fad.-Tiefe die Grenze 
der Cirkulation des Wassers im Becken des Schwarzen Meeres; dieselbe Tiefe 
bildet zugleich die untere Grenze der Verbreitung organischer Wesen und auch 
des von Schwefelwasserstoff freien Wassers.“') 
Hr. Spindler hat die Gelegenheit benutzt, auch das Azof’sche Meer zu 
besuchen und einige Beobachtungen über dessen Temperatur und Salzgehalt an- 
zustellen; diese erwiesen sich sehr wenig verschieden von der Oberfläche bis 
zum Boden, was Hr. Spindler der geringen Tiefe und der Mischung des 
Wassers selbst bei geringem Seegange zuschreibt. Im Juli erwies sich die 
mittlere Temperatur an der Oberfläche als 26°, am Boden 23,5°; der mittlere 
Salzgehalt sowohl oben als unten 1,06 %. Folglich ist das Azof’sche Meer im 
Sommer eines der wärmsten Meere der Erde. 
Ar. Spindler hat im Schwarzen Meere, besonders in dessen westlicher 
Hälfte, Strömungen im Sinne entgegen dem Zeiger der Uhr nachgewiesen. Am 
deutlichsten zeigt sich diese Strömung längs des westlichen "Theiles der 
kleinasiatischen Küste. Hier geht sogar bei östlichen Winden der Strom nach 
Osten. Die beständigste Strömung aufserhalb dieser Gegend findet sich beim 
Vorgebirge Tarkhanküt, am Westende der Krim: hier geht, selbst bei nordwest- 
lichen Winden, die Strömung nach NW, 
In der Meerenge von Kertsh giebt es bei schwachem Winde oder Wind- 
stille nur eine Strömung aus dem Azof’schen ins Schwarze Meer, welche salz- 
armes Wasser in das letztere bringt. Eine Unterströmung wie im Bosporus 
wird hier gewöhnlich nicht gefunden; allein bei starken SW-Winden geht der 
Strom vom Schwarzen ins Azof’sche Meer, und unter solchen Umständen steigt 
der Salzgehalt im letzteren von 1,06 °%o bis auf 1,55%. Hieraus kann man 
schließen, dafs der Salzgehalt des Azof’schen Meeres, gegenüber den kolossalen 
Massen süßen Wassers, welche von den Flüssen darein ergossen werden, eben 
1) Da eben diese Sättigung des Tiefenwassers mit einem giftigen, bei der Fäulnifs eiweifs- 
reicher Stoffe sich entwickelnden Gase offenbar die Ursache des Mangels an lebendigen Wesen in 
dieser Tiefe ist, so hat Prof. Andrussof folgende interessante Hypothese aufgestellt. Das Schwarze 
Meer bildete zur Pliocänzeit ein geschlossenes Becken schwach brackisehen Wassers. Als in einer, 
geologisch gesprochen, sehr neuen Zeit durch Entstehung des Bosporus die salzigen Wasser des 
Mittelmeeres in den Pontus eindrangen, zerstörten sie in der Tiefe die Brackwasser-[hierwelt, deren 
Reste noch als tote Schalen von Dreissena, Cardium und Micromelania durch das Schleppnetz herauf- 
geholt werden. Die Besiedelung der Tiefe durch Mittelmeer-Thiere wurde durch das massenhafte 
Faulen dieser Thierwelt und das dabei entwickelte Schwefelwasserstoffgas verhindert. Das reiche 
Thierleben der obersten, brackisch gebliebenen bezw. von den Flüssen fortwährend ausgesülßsten 
Schichten liefert seitdem fortwährend Thierleichen in die Tiefen, die nicht wie im Ocean zur 
Nahrung von Tiefseeorganismen dienen, sondern dort faulen und den Schwefelwasserstoffgehalt des 
Wassers dauernd unterhalten.
	        
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