Die Winde zu Keitum auf Sylt.
03
Die Winde zu Keitum auf Sylt, mit einer Einleitung, die Darstellung
der Windverhältnisse eines Ortes betreffend.
Von Dr. Hugo Meyer.
Einleitung.
Unsere klimatischen Kenntnisse sind im Wesentlichen auf die Mittelwerthe
gegründet, welche sich für die einzelnen klimatischen Elemente aus langjährigen
Beobachtungen ergeben habeD, und lange Zeit hindurch sah man in den Mittel-
werthen für die Klimatologie, ja selbst für die Meteorologie, das einzige Heil.
Erst in den letzten Decennien ist die früher schou von Brandes 1 ) empfohlene
synoptische Methode zur vollen und wohlverdienten Anerkennung gelangt und
hat bekanntlich für die Meteorologie die schönsten Früchte gezeitigt. Die
Bildung von Mittelwerthen hat aber bei der Betrachtung der Windverhältnisse
eigenthümliche Schwierigkeiten, und darin liegt wohl der Grund, dafs diese
verhältnifsmäfsig lange nur stiefmütterlich behandelt worden sind. Die älteren
Meteorologen geben meistens nur diejenige Richtung an, aus welcher der Wind
am häufigsten zu wehen pflegt. Das ist aber offenbar nur sehr mangelhaft und
häufig auch verdächtig; denn nicht selten kommen an einem Orte verschiedene
Windlichtungen nahezu gleich häufig vor. Der nächstliegende Ausweg, die
Häufigkeit für alle Windrichtungen anzugebon, und zwar der Vergleichbarkeit
wegen in Procenten sämmtlicher Beobachtungen, ist nur selten betreten worden,
so z. B. von dem dänischen Botaniker J. F. Schouw in seiner auch heute noch
sehr lesenswerthen Abhandlung: „Beiträge zur vergleichenden Klimatologie“,
Kopenhagen 1827. a ) Es heifst dort Seite 8: „Allein da diese (die Anzahl der
Beobachtungen jedes Windes) für eine lange Reihe von Jahren sehr grofse
Zahlen geben, da ferner in den hier benutzten Reihen nicht selten Lacunen für
Tage oder Monate stattfinden, und da endlich, wenn man die Mouate unter
sich vergleichen will, die Schwierigkeit eintritt, dafs die Monate nicht von
gleicher Gröfse sind, dieselbe absolute Zahl daher in den verschiedenen Monaten
verschiedene Bedeutung hat, so habe ich die Windverhältnisse auf die Art ge
geben, dafs ich für jenen Wind den Quotienten angebe, welcher durch die Zahl
der Beobachtungen des einzelnen Windes und die Gesammtzahl der Beobach
tungen gebildet wird, und diese Quotienten in Decimalen ausgedrückt. Auf diese
Art, glaube ich, wird die IJebersicht leichter und dabei genauer.“
Viel häufiger ist eine schon früher von Lambert 3 ) vorgeschlagene
Reduktionsmethode verwendet worden, besonders von Dove, Schübler und
Kämtz. Diese Methode ist aus dem Bestreben, alle Winde zu einem mittleren
Wind zusammenzusetzen, hervorgegangen. Es geschieht die Zusammensetzung
nach dem Priucip des Parallelogramms der Kräfte, indem die Winde als Kräfte
aufgefafst werden, welche die Atmosphäre zu bewegen streben. Die Winde
müssen dabei mit Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Stärke in Betracht kommen.
Versteht man daher unter den Buchstaben, welche die Windrichtung angeben,
die Produkte aus der Dauer (Häufigkeit) und der Windgeschwindigkeit, und
bezeichnet man durch A und B folgende Gröfsen:
A = E — W -b (NE -f- SE — NW -- SW) cos 45°
B = N — S + (NE + NW — SE - SW) cos 45°
so ist:
R = l/A* H- B*
') H. W. Brandes, „Beiträge zur Witterungskunde' 1 , Leipzig 1820.
*) Schouw bemerkt in dieser Abhandlung (es steht mir nur Heft 1 zur Verfügung) u. A.,
wie streng genommen nur Beobachtungen ans denselben Jahren vergleichbar sind, und wendet auch
schon die später namentlich von Hann mit so grofsem Erfolg benutzte Methode der Reduktion
einer kurzen Reihe auf eine längere mit Hülfe gleichzeitiger Beobachtungen an.
3) Lambert, „Nouveaux mémoires de l’acad. roy. des sciences“, Berlin 1777, Classe de
mathématique, pag. 36.