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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 18 (1890)

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Ueber das nautische Längenproblem. 
Der vorliegende Fall bestätigt demnach, dafs sich durch die gewöhnliche 
Rechnung dieselbe Genauigkeit erreichen läfst, wie nach Bessel’s Methode, 
und zwar ohne in zu verwickelte Rechnungen zu gerathen. Im Gegentheil ist 
die gewöhnliche Rechnung übersichtlicher und leichter, ohne an Strenge dabei 
einzubüfsen. 
Bessel äufserte noch 10 Jahre später, 1 ) er glaube, dafs seine Berech 
nungsmethode der Monddistanzen, trotz des Fehlschlagens ihrer Einführung in 
den Seegebrauch durch die ganz dazu eingerichteten Schumacher’schen 
Ephemeriden (1835—1838), nicht für immer der Vergessenheit übergeben sein 
werde. Er erwarte vielmehr in einer nicht fernen Zeit die Anwendung dieser 
Methode zur besseren nautischen Längenbestimmung und zur Berichtigung der 
Chronometer. 
Immer wird dabei natürlich noch von der alten Voraussetzung aus 
gegangen, dafs Thermometer und Barometer in nautischen Rechnungen über 
haupt unberücksichtigt blieben, und wenn man sie auch berücksichtigen wollte, 
man durch die, mit der mittleren Refraktion berechnete „Logarithmisehe Differenz“ 
nicht dazu kommen könne. 
Der Vergessenheit übergeben wird ein solches theoretisches Kunstwerk, 
wie die Bessel’sche Methode, vom historischen Standpunkte gewifs nicht. Sie 
wird aber aufserdem schon unvergessen bleiben durch die zweckmäfsige Betrach 
tungsweise, wie die Berücksichtigung der Abplattung der Erde bei dieser und 
ähnlichen Rechnungen sich auch praktisch künftig empfiehlt. 
Das Bes sei’sehe Verfahren der vollständigen Umkehrung der gewohnten 
Rechnung konnte Anfangs zu dem Mifsverständnifs führen, als wenn damit nur 
für einen, der Beobachtungszeit nahe liegenden Zeitpunkt, die scheinbare Distanz 
und ihre Veränderung berechnet sei, um aus diesen Veränderungen die zur 
beobachteten scheinbaren Distanz gehörige Zeit in Greenwich durch Interpolation 
zu finden, und dafs dann sogar schliefslich die Veränderung der wahren Distanzen 
den Veränderungen der scheinbaren Distanzen substituirt wäre. Bessel selbst 
scheint auch eine Ahnung von der Möglichkeit eines solchen Mifsverständnisses 
gehabt zu haben, indem er nach der Entwickelung seiner Formel für die 
Aenderung (n') der scheinbaren Distanz (infolge der Aenderung der geschätzten 
Länge) am Schlüsse des 5. Abschnitts Folgendes anführt: 
„Bei dieser Gelegenheit erwähne ich des besonderen Falles, welchen die 
Methode der Monddistanzen darbieteu kann, dafs nämlich die scheinbare Ent 
fernung bis zu einem Maximo wächst und dann wieder abnimmt, also während 
einer beträchtlichen Zeit ohne merkliche Aenderung bleibt. Dieses kann sich 
ereignen, wenn das Gestirn, dessen Entfernung vom Monde gemessen wird, dem 
Untergange zugeht, der Mond aber sehr hoch steht; einen vorgekommenen Fall 
dieser Art hat Herr Rümker („Astron. Nachr.“ No. 5) angeführt. Der oben 
entwickelte Ausdruck von n' läfst keinen Zweifel darüber, dafs der Mittags 
unterschied in diesem Falle eben so gut bestimmt werden kann als in jedem 
anderen; da dieses aber auch ohne meine Rechnung klar wird, so erwähne ich 
des Falls nicht sowohl um ihn aufzuklären, als um zu bemerken, dafs die 
Beobachtung eines solchen Maximums allein, ohne Zuziehung der Zeit 
bestimmung, den Mittagsunterschied ergiebt. In Fällen, wo die Zeitbestim 
mung nicht sicher ist, wild ihr Fehler desto weniger nachtheilig sein, je lang 
samer die scheinbare Entfernung sich ändert.“ 
Der Fall ist aber doch interessanter, als dafs er verdiente, hier ohne 
nähere Darstellung übergangen zu werden, und die obigen Bemerkungen von 
Bessel darüber eine vollständige Erklärung des Wesens einer solchen etw.as 
paradox scheinenden Längenbestimmung nicht geben, auch nicht geben wollen. 
Aber besser als durch Worte allein klärt sich die Sache auf, wenn man dabei 
ein bestimmtes Beispiel vor Augen hat, wozu die folgenden, von Bessel er 
wähnten Riimker’schen Beobachtungen auf einer Reise nach Australien dienen 
können, welche in den „Astron. Nachr.“ (Bd. I, Altona 1823, S. 77) enthalten 
sind, wo sie unter anderen wissenschaftlichen Mittheilungen in einem Briefe von 
Rümker an Olbers stehen: 
') „Astron. Untersuchungen“ von F. W. Bessel. Bd. 2, Königsberg 1842, S. 266—307.
	        
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