Ann. d. Hydr. etc., XVIII. Jahrg. (1890), Heft XII.
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Ueber das nautische Längenproblem.
Von Dr. 0. D. E. Weyer, Professor an der Universität in Kiel.
Von den beiden verschiedenen Arten der gelungenen Lösung des alten
Problems der astronomischen Längenbestimmung auf dem Meere, entweder
durch Monddistanzen oder durch Chronometer, ist die erstere BestimmuDgsweise
schon seit längerer Zeit mehr zurückgetreten, weil sie in Beziehung auf Genauig
keit nicht so viel leistete, als die leichter auszuführende chronometrische Längen-
bestimmung. Die gröfsere Genauigkeit wurde durch die beständig fortgeschrittene
Vervollkommnung der im Preise zugänglicher gewordenen Chronometer erlangt
und ihre Zuverlässigkeit aufs Beste dadurch unterstützt, dafs man die Schilfe
mit mehr als einem guten Chronometer versah, so dafs in diesem Palle eine
vormals empfohlene Kontrolle der Chronometerlänge durch Monddistanzen nicht
viel mehr in Anwendung gekommen ist. Die Verbesserung der Reflexions-
instrumente und der Mondtafeln vermochten die Genauigkeit des Resultats der
Monddistanzen nicht in gleicher Weise zu steigern, wie es durch die verbesserten
und in mehrfacher Zahl benutzten Chronometer gelang. Endlich kam auch der
Vortheil der Abkürzung der Reisedauer durch die Dampfschiffahrt lediglich der
chronometrischen von beiden Längenbestimmungen zu gut.
Die Bewegung des Mondes ist bekanntlich zu langsam, um mit den Mond
distanzen mehr erreichen zu können, als eine Längenbestimmung, deren Fehler
bei Distanzen zwischen Sonne und Mond durchschnittlich 29Vs Mal gröfser ist,
als der Fehler in der Distanzmessung; dazu kommt aufserdem noch der Fehler
der Mondtafeln, ebenfalls 29Va fach vergröfsert, wenn man nicht Distanzen auf
beiden Seiten des Mondes benutzt hat, um wenigstens diesen Fehler unschädlich
zu machen. Etwas günstiger kann sich zwar der durchschnittliche Fehler der
Länge aus den Monddistanzen von Sternen auf das 27Vsfache reduciren, aber
hierbei kommen andererseits auch viel ungünstigere Fälle vor. Da es nämlich
an hellen Sternen auf dem Wege des Mondes im letzten grofsen Theil des
Zodiakus (Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische) mangelt, so sah man
sich genöthigt, um die Lücke auszufüllen, auch die Sterne Altair, Fomalhaut
und a Pegasi zu Hülfe zu nehmen, welche 20 bis 30 Grad von der Ekliptik
entfernt sind. Die Folge davon war, dafs Längenfehler entstehen konnten, die
45 Mal gröfser als die Distanzfehler wurden, wenn auch die Mondtafeln immer
ganz genau gewesen wären, wovon sie oft viel weiter entfernt waren, als man
im nautischen Gebrauch zuversichtlich annehmen zu dürfen glaubte. Stieg aber
der Fehler in der Messung der Distanz und ihrer Vorausberechnung nach den
Mondtafeln zusammen auch nur bis auf eine Bogenminute, so hatte man z. B.
bei Distanzen von Fomalhaut zuweilen das 45fache, also schon einen Fehler
von 0° 45' in der noch so strenge berechneten Länge, gerade so, als wenn das
Chronometer um drei Zeitminuten unrichtig gewesen wäre.
Eine wesentliche Ergänzung zur Vermeidung solcher extremen Fälle trat
in Beziehung auf die bessere Auswahl der Sterne ein, als auf den Vorschlag
des dänischen Admirals Lövenörn die vier Planeten Venus, Mars, Jupiter und
Saturn hinzugezogen wurden, welche sämmtlich heller sind, als die anderen
Sterne für Monddistanzen und fast immer in günstiger Lage zur Mondbewegung
stehen, so dafs sich ihre Distanzen vom Monde schnell verändern. Unter der
Direktion von Prof. Schumacher in Kopenhagen wurden demnächst diese
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