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Sturm vom 25./26. April 1890.
Die Wetterkarte vom Morgen des 25. April zeigt ein ziemlich tiefes
Minimum über Südwestengland, welches in Wechselwirkung mit einem Hochdruck
gebiete über Südeuropa in Nordwestfrankreich starke, stellenweise stürmische
westliche Winde hervorrief. Ein anderes, kaum erkennbares Minimum, von
leichten Winden umgeben, lag am Eingänge des Kanals zwischen der englischen
und holländischen Küste. In weiter Umgebung dieser Depressionen war das
Barometer ungewöhnlich stark gefallen, namentlich im südlichen Nordseegebiete
und in der Gegend vor dem Kanal. In Nord Westeuropa war das Wetter trübe
und regnerisch, nur auf dem Gebiete zwischen Irland und Südnorwegen war
die Wolkendecke vielfach zerrissen, wahrscheinlich durch die Wechselwirkung
der beiden oben genannten Depressionen und einer anderen Depression, welche
nordwestlich von Schottland lagerte.
Um 2 Uhr Nachmittags lag das Minimum, welches am Morgen am Ein
gänge des Kanals sich befand, am Niederrhein, in der Nähe von Kleve, und
hatte sowohl an Tiefe als au Intensität zugenommen. In den Rheinlanden,
theilweise auch in den angrenzenden Gebietstheilen, waren starke bis stürmische
südwestliche Winde aufgetreten, die sich nach und nach weiter nordwärts fort
pflanzten. Auf der Westseite des Depressiousgebietes war die Wärme am
höchsten, namentlich im Südwesten, an der Grenze der stürmischen Winde war
sie über 15° C. gestiegen. Das Gebiet gleichzeitiger Niederschläge war zu
dieser Zeit scharf begrenzt: es erstreckte sich vom rechten Rheinufer nordwärts
bis über die Unterelbe hinaus; am linken Rheinufer hatten die Niederschläge
aufgehört und war theilweise Aufklaren eingetreten.
Am Abend des 25. war das Minimum in nordöstlicher Richtung bis zur
Nordseeküste zwischen der Elbe- und Weser-Mündung fortgeschritten, wobei
die Tiefe und Intensität zugenommen hatten. Die Windstärke hatte in den
Rheinlanden und Westfalen erheblich abgenommen, nur vereinzelt wehten
daselbst noch starke oder stürmische Winde, dagegen waren auf dem eng
begrenzten Gebiete zwischen Unterelbe und Weser die südlichen bis wostlichen
Winde bis zum vollen Sturme aufgefrischt, welcher überall in heftigen Böen
wehte, aber meistens nur eine verhältnifsmäfsig kurze Zeit anhielt. Das Auf
klaren auf der Südseite der Depression hatte sich weiter nordwärts über das
Rheinthal ausgebreitet; in einem kleinen Gebiete südlich vom Teutoburger
Walde war heiteres Wetter eiugetreten. Gleichzeitig hatte sich auch das Gebiet
mit gleichzeitigen Niederschlägen nordwärts verschoben und war hoch hinauf
nach Jütland vorgedrungen. Figur 1 veranschaulicht dio Wetterlage am 25.
8 h p. m.
Während der Nacht bewegte sich das Minimum nordwärts nach dem
Skagerrak und mit ihm das engbegrenzte Sturmfeld, so dafs an den Stationen
nach einander, je nach ihrer geographischen Breite, die stürmischen Winde auf
traten, welche meistens in heftigen Böen einsetzten. Am 26. Morgens war das
Minimum am meisten entwickelt und bildete eine regelmäfsig geformte und
umfangreiche Depression, deren Kern über dem Kattegat lag und welche Wind
und Wetter über fast ganz Nord- und Mitteleuropa beherrschte. Die Luft
bewegung um das Minimum war meistens schwach, vereinzelt nur traten noch
starke Winde auf. Die Niederschläge im nordwestlichen Deutschland hatten
nachgelassen und machten bald darauf heiterer trockener Witterung Platz.
Mit der Ausbreitung des Depressionsgebietes nahm das Minimum rasch
an Tiefe ab, bis dasselbe sich nach uud nach ausglich. Am 27. Morgens lag
dasselbe an der Südküste Norwegens und am folgenden Morgen über der Nord
see, wo es sich allmählich ausfüllte.
Die Bahn, auf welcher das barometrische Minimum fortschritt, war zuerst
eine nach Nordost gerichtete, dann nach Nord, Nordwest und zuletzt nach
West. Dabei waren die Tiefe und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Minimums folgende (siehe Figur 1):