Eine neue Methode der Prüfung von Sturmwarnungen etc.
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ergänzen, wie es für die Prüfung der Sturmwarnungen wohl wünschenswerth
wäre. Die Aufstellung der Anemometer ist von aufserordentlichem Einflufs auf
deren Angaben. Diese Thatsache tritt besonders markant bei Borkum hervor,
wo in dem Zeiträume 1876—83 das Anemometer etwa 500 Schritte von der
Düne auf einem Wohnhause, ungefähr in derselben Weise wie in Keitum auf
Sylt, aufgestellt war; nachher fand das Anemometer Aufstellung auf dem 41 m
hohen alten Leuchtthurm, so dafs die Seehöhe des Skalenkreuzes von 11 auf
41 m, also um 30 m, vermehrt wurde. Die mittlere Windgeschwindigkeit betrug
in dem ersteren Zeiträume, übereinstimmend mit Keitum, 5,4 m, und in dem
letzteren 9,3 m, also fast das Doppelte. Die Anzahl der Tage mit stürmischen
Winden, d. h. mit Windgeschwindigkeiten gleich oder gröfser als 15 m p. Sek.,
war in der ersteren Zeit 21, in der letzteren 105 im Jahresmittel, die der
starken, mit einer Windgeschwindigkeit gleich oder gröfser als 10 m p. Sek.,
110 und 266, so dafs sich für die Reduktion der alten Werthe auf die neuen
folgende Reduktionsfaktoren ergaben: 1,7, 5,0 und 2,4. Dafs auch geringere
Aenderungen in der Aufstellung die Angaben merklich beeinflussen können,
zeigt die veränderte Aufstellung des Anemometers in Hamburg 1883, als das
selbe von dem Seemannshause nach dem neuen Dienstgebäude der Seewarte
verlegt wurde, wobei, abgesehen von der veränderten Nachbarschaft, die See
höhe um etwa 7 m vermehrt wurde. Die älteren Angaben ergaben als Jahres
mittel der Windgeschwindigkeit 5,5, die neueren 6,2 m p. Sek., für die Häufig
keit der stürmischen Winde die älteren 28, die neueren 33, für die der starken
Winde die älteren 108, die neueren 135, so dafs hieraus die Reduktionsfaktoren
folgen bezw. 1,1, 1,2 und 2,4.
Es handelte sich nun darum, die untere Grenze der Windgeschwindigkeit
festzulegen, bei welcher ein Wind als stürmisch anzusehen sei, wobei es aller
dings erwünscht schien, auch die Gefährlichkeit der einzelnen Küstenstrecken
rücksichtlich der stürmischen Winde zu berücksichtigen, wie es von Herrn
Szesnewsky bei Bearbeitung der Stürme auf dem Schwarzen und Asow’schen
Meere geschehen ist (vgl. „Repertorium für Meteorologie“ Band XII, 1889,
No. 7). Das vorhandene Material wurde nun nach drei Richtungen hin ver
arbeitet, und zwar wurden in eine Tabelle eingetragen: 1. die Jahresmittel der
Windgeschwindigkeit für die einzelnen Stationen, wobei die älteren Reihen von
Borkum und Hamburg natürlich in Wegfall kamen; 2. die Häufigkeit der stür
mischen Winde (Windgeschwindigkeit gleich oder gröfser als 15 m p. Sek.) und
3. die Häufigkeit der starken Winde (Windgeschwindigkeit gleich oder gröfser
als 10 m p. Sek.), und hieraus ergaben sich die Anhaltspunkte für die untere
Grenze der stürmischen Winde. 1 ) Ordnen wir nun die Stationen nach der Gröfse
der mittleren Geschwindigkeit, so ergiebt sich folgendo Zusammenstellung:
Mittl. Windgeschw.
Mittl. Windstärke
Tage mit
Tage mit
Untere Grenze
m
p. Sek.
Schätz. Beauf.
stürm.Wind.
stark.Wind.
f. stürm.Wind.
1.
Borkum
9,2
3,3
105
266
21
2.
Wilhelmshaven
7,1
—
55
188
16
3.
Wustrow
6,4
3,1
51
149
15
4.
Hamburg
6,2
3,2
33
135
15
5.
Kiel
6,1
—
40
142
15
6.
Memel
5,5
3,4
33
108
13
7.
Keitum (Sylt)
5,3
2,9
19
102
13
8.
Swinemünde
5,3
—
20
114
13
9.
Neufahrwasser
4,2
2,5
8
49
10
Wie man aus der Tabelle ersieht, zeigen die Zahlen grofse Verschieden
heiten; so ist in Borkum die mittlero Windgeschwindigkeit mehr als doppelt
so grofs und die Häufigkeit der stürmischen Winde 13 Mal so grofs als in
Neufahrwasser, während die Schätzungen geringere Abweichungen aufweisen.
Indessen stimmt die Abnahme der Häufigkeitszahlen für starke und stürmische
Winde im Allgemeinen gut mit derjenigen für die mittlere Windgeschwindigkeit.
Nach der in Hamburg gewonnenen langjährigen Erfahrung ist daselbst
ein Wind, welcher im stündlichen Mittel 15 m p. Sek. erreicht oder übersteigt,
i) Siehe die ausführlichere Abhandlung im Beiheft II zum Monatsbericht der Deutschen
Seewarte 1889.