Vierteljahrs-Wetter-Rundschau der Deutschen Seewarte, Frühling 1886.
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Am 6. Mai erschien über Baffinsland ein Hochdruckgebiet, welches sich
langsam auf Spitzbergen zu fortpflanzte, an Höhe bis auf 780 mm zunehmend.
Im Laufe des 7. verschob sich darauf das Maximum von der Helgoländer
Bucht durch Deutschland nach Italien und wurde dasjenige auf dem Ocean
zwischen den Bermuden und Azoren stationär. Diese veränderte Druckver-
theilung charakterisirt den Zeitabschnitt vom 7. bis 10. Mai, welcher der Nord
see Abkühlung, dagegen Süddeutschlaud das Ende der bis dahin sehr kühlen
Zeit brachte. In Italien, Ungarn etc. trat diese Erwärmung erst am II. bis 14.
ein, und da auch an der östlichen Nordsee die Temperatur in diesen Tagen
wieder normal wurde, so brachten die „Eisheiligen“ in diesem Jahre nicht Kälte,
sondern eher Wärme. Ausgesprochen warm waren diese Tage, welche den
Zeitabschnitt vom 11. bis 17. Mai bilden, nur in Konstantinopel, aus
gesprochen kühl im N und W der Britischen Inseln, auf der Westseite des
nicht unbedeutenden Wirbels, welcher am 13. bis 16. vom Kanal nach dem
Norwegischen Meere zog. Während dieses Zeitabschnittes erstreckte sich ein
ausgedehntes Gebiet niedrigen Luftdrucks von den Britischen Inseln bis zum
Ural, nach Norden und Westen begrenzt von dem stationären Walle höheren
Druckes, welchen die Isobare 765 auf der Karte XIX angiebt, nach Südosten
aber durch das geringfügige Maximum, das von Cypern nach dem Aralsee sich
bewegte. Innerhalb dieses grofsen Gebietes fanden sich mehrere Centren
niedersten Druckes, welche auf der Karte wenig zur Geltung kommen, weil ihre
Zusammenlegung nicht wohl thunlich erschien und doch ihre Trennung schwierig
und unklar ist. Wir haben uns wesentlich an die Darstellung im Monatsbericht
der Seewarte angeschlossen, welche durch die Rücksicht auf die Mittags- und
Abendkarten begründet ist. Nach den Morgenkarten allein würde man eine
andere, einfachere Darstellung gewählt haben. Die Vorgänge in diesen Tagen
waren aber auch ganz aufsergewöhnlicher Natur. Am 12. Mai wurde ein Theil
von Madrid durch eine fürchterliche Windhose heimgesucht, und zwei Tage
darauf fand am 14. um 3Vt h p. na. das Unglück von Crossen a. 0. statt, wo
ein Windstofs in etwa drei Minuten fast die ganze Stadt verwüstete, als habe
sie einem wochonlangen Bombardement unterlegen. Seltsamerweise hatte un
mittelbar zuvor, am 11. Mai, die Stadt Kansas City im Staate Missouri ein
ganz ähnliches Schicksal gehabt. Eine eingehende Untersuchung über den
Orkan von Crossen findet man in diesen Annalen, 1886, S. 259 bis 276; eine
kurze Notiz über die anderen Phänomene und diejenigen vom 23. und 26. Mai
mit einigen Literaturangaben in der „Meteorolog. Zeitschrift“, 1886, S. 321.
An dieser Stelle müssen wir uns mit diesen Hinweisen begnügen.
Am 15. Mai. S. 65 (34° N, 39.5° W). Wind um Oa SSW 8; um 10 a Windstille; um
4 p N 4, um 12 p NNE 5.
Am 16. Mai. S. 59 (39° N, 72,5° W). Wind um 6 a SSE 6, um 8 a KW 3 — S. 100
(54° K, 23° W). Um 12 p niedrigster Luftdr. = 745,6 mm. Wind um 12 a SW 11; um 12 p
WNW 7.
Am 17. Mai. S. 96 (48° N, 16° W). Um 4 a niedrigster Luftdr. = 742,2. Wind um 4 a
5 9; um 6 a W 9, um 12 p WNW 6 — S. 102 (48,5° N, 15° W). Um 6 a Luftdr. = 737,8 mm,
Wind SSW 10.
Durch Ausbildung eines Hochdruck - Gebietes über dem Mittelmeere,
welches sich darauf nach Westrussland verlagerte, so wie auch durch Steigen
des Druckes bei den Bermuden, ist der folgende Zeitabschnitt vom 18. bis
21. Mai vom eben besprochenen abgegrenzt. Da gleichzeitig der Druck an
der Ostseite Grönlands gesunken war, so findet die veränderte Richtung der
Depressionen über dem Nordosten von Amerika ihre Erklärung; nachdem am
9. bis 18. Mai drei derselben zwischen Neufundland und der Hudsonsbai nach
Norden gezogen waren, zog am 19. bis 22. in derselben eine Depression senk
recht zu dieser Richtung von WzN nach EzS.
Im letzten Zeitabschnitt des Vierteljahres, jenem vom 22. bi3 31. Mai,
war wiederum die Brücke hohen Luftdrucks von Ostgrönland nach dem Maxi
mum der Rossbreiten hergestellt, welche wir im Zeitraum vom 11. bis 17. Mai
bereits fanden, nur in noch stärkerer Ausbildung, namentlich nach Westen hin.
In beiden Fällen sehen wir auch, seltsamerweise, ganz dieselbe von Süd
nach Nord gehende Bewegung einer Cyklone an der Ostseite dieses Hochdruck