Ami. d. Hydr. etc., XV11I. Jakrg. (1890), Heft V.
1G1
Bericht über die neuen amerikanischen Seekarten in gnomonischer
oder Centralprojektion für die Schiffahrt im grölsten Kreise.
Von Dr. (J. D. E. Weyer, Professor an der Universität in Kiel.
Gegenwärtig ist ein ausgezeichnetes Kartenwerk im Hydrographischen
Amte der Vereinigten Staaten von Amerika vollendet worden, welches uns
bisher noch fehlte, indem e3 auf fünf Karten alle grofsen Meere in gnomonischer
Projektion darstellt, worüber hier in folgender Ordnung näher berichtet werden
soll: I. Nordatlantischer Ocean, II. Südatlantischer Ocean, III. Nordpacifischer
Ocean, IV. Südpacifischer Ocean und V. Indischer Ocean.
Der Zweck solcher Karten ist bekanntlich nicht, als gewöhnliche Segel
karten oder Trackkarten zu dienen, sondern als einfachstes Hülfsmittel, um in
allen Fällen für zwei woit von einander liegende Oerter ihre kürzeste gegen
seitige Entfernung im gröfsten Kreise zu finden nebst dem dazu gehörenden
anfänglichen Kurs, welcher allmählich geändert werden mufs, um das Schiff auf
dem kürzesten Wege zu halten, ausgenommen, wenn beide Oerter unter einem
Meridian oder beide auf dem Aequator lägen, wo die Kurse im gröfsten Kreise
unverändert bleiben.
Der Vortheil der gewählten Projektion der Oerter von der Kugelober
fläche auf eine beliebige Kartenebene vermittelst der durch das Centrum der
Kugel und durch die einzelnen Oerter gedachten geraden Linien besteht darin,
dafs alle in einer Ebene, also in einem gröfsten Kugelkreise liegenden Linien,
auf der Karte immer Punkte einer geraden Linie bilden müssen, da zwei Ebenen
sich nur in einer geraden Linie schneiden können. Hiernach braucht man auch
nur eine gerade Linie von einem Orte der Karte zu einem andern zu ziehen,
um die kürzeste Wegesrichtung von Ort zu Ort zu erhalten. Beliebige Punkte
dieser geraden Linie können dann nach Breite und Länge von der Karte ab
gelesen werden, und zwar auf den beiden ersten der obigen Karten von 10 zu
10 Minuten, auf den übrigen von 15' zu 15' durch unmittelbare Eintheilung
vermittelst der Punkte auf der Karte, die weit genug von einander liegen, um
noch eine genauere Schätzung bis auf etwa 5' wenigstens zu gestatten.
Das Einfachste für den praktischen Seegebrauch solcher Karten wäre
nun, eine Uebertragung von Punkten der geraden Linie nach Breite und Länge
auf die gewöhnliche Mercator’sche Karte vorzunehmen, wozu 3 bis 5 Punkte
in zweckmäfsiger Entfernung von einander schon meistens genügen würden.
Diese übertragenen Punkte werden dann auf der Mercator’sehen Karte im
Allgemeinen in einer krummen Linie liegen, die sich aber schon durch einen
Zug aus freier Hand verbinden lassen und hier wieder den Bogen eines gröfsten
Kreises als kürzesten Weg darstellen, während der längere loxodromische Weg,
der mit allen Meridianen gleiche Winkel bildet, in der Mercator’schen Karte
als gerade Linie erscheint. Die Kurs- und Distanzmessungen können dann auf
der Mercator’schen Karte in gewöhnlicher Weise zwischen den zweckmäfsig
gewählten Punkten ausgeführt werden, so dafs alle künstlicheren Konstruktionen
wegfallen, die man sonst nötliig hätte, wenn man auf der gnomonischen Karte
selbst die Bestimmung des wechselnden Kurses und der Distanz durch Aus-
1