Skip to main content

Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 18 (1890)

Zusammenhang zwischen d. Windgeschwindigkeit u. d. Dimensionen d. Meereswellen etc. 9 
beobachtete Seegang niemals, oder nur in ganz vereinzelten Ausnahmefällen 
ein einfaches Wellensystem bildet, vielmehr sich immer aus einer ganzon Anzahl 
von Wellen von verschiedener Länge und Periode zusammensetzt. Hierauf 
deutet auch die allen Seefahrern bekannte Erscheinung hin, dafs der Seegang 
häufig periodisch bald stärker bald weniger stark auftritt; ebenso kann man 
fast immer in der Brandung an einem Seestrande periodische Schwankungen 
in der Intensität derselben beobachten. Die Ursache liegt in den zwischen 
den verschiedenen Wellensystemen auftretenden Interferenzen, durch welche die 
resultirende Welle bald verstärkt bald geschwächt wird. Wenn z. B. zwei 
Wellen in gleicher Richtung laufen, von denen die eine eine Länge fa — 200 Meter 
und dementsprechend eine Periode n = 
i 
2 7i h 
~g 
11,3203®, die andere aber 
eine Länge von fa — 190 Meter und eine Periode T2 = 11,0336® haben möge, so 
/ij 
ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der ersten Welle vi = — = 17,6672 Meter, 
die der zweiten vz = — = 17,2200 Meter, und die erste Welle überholt die 
T2 
zweite Welle in Sek. um ihre ganze Länge, 
Vl — V2 
d. h. es wird jedesmal 
nach Verlauf von 
2.2 
Vl V2 
Tl Z2 
Sek., oder in unserem Beispiel nach 7 m 9,2’ 
ein Zusammentreffen der Wellenberge beider Wellen, also eine Verstärkung 
des Seegangs und 3 m 34,6® vorher und nachher ein Zusammentreffen des Wellen 
berges der einen Welle mit dem Wellenthal der andern, oder eine Schwächung 
des Seegangs eintreten. Aehnliches kann mau bei aufmerksamer Beobachtung 
des Seegangs öfter beobachten. 
Wir dürfen daher annehmen, dafs der Seegang stets ein komplicirtes 
System von verschiedenen Wellen darstellt. Ist dies aber der Fall, so ergiebt 
sich eine ziemlich einfache Erklärung einer Erscheinung, welche bislang noch 
als offene Frage betrachtet wurde, nämlich für das an exponirten Küsten- 
puukten beobachtete Auftreten von Wellen von erheblich längerer Periode, als 
sie den direkt durch den Wind erzeugten Wellen zukommt,') die örtlich ver 
schiedene Namen haben (Marobbio, Resacea u. s. w.). Diese Wellen, welche 
sich auf den selbstregistrirenden Fluthmesseru als mannigfach gezackte Aus 
buchtungen der Gezeitenkurven darstellen, haben oftmals Perioden von 5, 10, 
ja bis zu 30 Minuten und mehr, während der gewöhnliche Seegang höchstens 
eine Periode von 14 bis 16 Sek. haben kann. Zur Erklärung dieser Erscheinung 
hat man angenommen, dafs es Wellen seien, welche, durch unterseeische Erd 
beben hervorgerufen, sich über den Ocean fortpflanzten, und da ihre Ge 
schwindigkeit von der mittleren Tiefe des Wassers abhängt, so hat man gesucht, 
die Tiefe aus der beobachteten Geschwindigkeit der Welle zu berechnen. 
Zweifellos ist diese Erklärung in manchen Fällen die richtige, die fragliche 
Erscheinung tritt aber viel zu häufig auf, als dafs man nur einen Augenblick 
daran denken könnte, dieselbe aus der genannten Ursache allein erklären zu 
können. Eine andere Erklärung suchte man darin, dafs die fraglichen Wellen 
als Seiches aufgofafst wurden, d. h. als Wellen, welche in einem Hin- und Her 
schwanken des Meeresspiegels zwischen zwei festen Ufern bestehen, wie sie 
besonders von Forel im Genfer See beobachtet und studirt worden sind, wo 
sie mit dem lokalen Namen „Seiches“ bezeichnet werden. Allein auch diese 
Erklärung ist nicht überall anwendbar, wenn sie auch gewifs in vielen Fällen 
das Richtige treffen mag. Die fraglichen Wellen von langer Periode kommen 
nämlich auch vor an Plätzen, wo es unmöglich ist, dafs Seiches von so langer 
Periode entstehen können, so auf isolirt gelegenen Inseln, wie z. B. Kerguelen 
im Südindischen, Auckland im Südpacifischen Ocean, auf Süd-Georgien im Süd 
atlantischen Ocean, auf Helgoland in der Nordsee und an vielen exponirten 
Küstenpunkten des Festlandes, wo man vergeblich nach zwei einander gegen- 
*) Océanographie II, S. 137 ff. Hier werden diese Wellen als stehende Wellen aufgefafst, 
wir werden aber sehen, dafs dies nur zum Theil zutreffend ist, nämlich nur für die in kleinen 
Wasserbecken auftretenden, von Forel Seiches genannten Schwankungen. 
An®, a, Hydr. etc., 1890, Heft I. 
2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.