Vierteljahrs-Wetter-Rundschau der Deutschen Seewarte, Winter 1885—86.
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Eine starke Zunahme des Luftdrucks, welche im Laufe des 9. Dezember
in Nordwest-Europa einsetzte und bis zum IS. nach dem Südosten des Erdtheils
sich verschob, leitete den dritten Zeitabschnitt vom 11. — 20. Dezember
ein. Diese Druckzunahme stand im Zusammenhang mit einer Kältewelle, welche
gleichzeitig mit ihr Europa von Nord nach Süd durchwanderte, jedoch, be
sonders im Süden, länger anhielt; die negative Temperatur-Anomalie dauerte
in Norwegen vom 5.—11., in Hamburg vom 7.—13., in Wien vom 9.—16. und
in Rom vom 10.—21. Wie die Kälte theils durch die nördliche Luftströmung
des Zeitabschnitts 2, theils durch das barometrische Maximum des in Rede
stehenden selbst bedingt war, so war sie ihrerseits gewifs mitwirkend bei der
Erzeugung des letzteren.
Die Luftanhäufuug über Europa wurde begleitet von einem starken Luft
mangel resp. grofser Druckverminderung über dein Meere östlich von Island,
wo am 11.—12. eine tiefe Depression erschien. Es ist ja eine sehr häufige
Erfahrung des täglichen wettertelegraphischen Dienstes, dafs eine starke Zu
nahme des Druckes über Westeuropa der Vorbote des Erscheinens einer tiefen
Depression auf dem Ocean ist. Freilich ist dieses insbesondere der Fall, wenn
diese Druckzunahme in der Form der Ausfüllung vorhandener barometrischer
Depressionen auftritt, was hier weniger zutraf. Da auch in Südrussland zum
10. Dezember auf der Rückseite eines kräftig sich entwickelnden Theilminimums
sehr plötzlich ein Maximum entstand, so bildete sich eine Brücke hohen Druckes
von Frankreich bis nach SW-Sibirien aus, welche im Anfang dieses Zeitabschnittes
die Depi-essionen in der Levante von der grofsen im europäischen Eismeer
schied, später aber sich zu einem kräftigen Maximum übor Westeuropa ab
rundete.
Auf dem Ocean waren in diesem Zeitabschnitt die Vorgänge in dem
Gebiete niederen Druckes am bemerkenswerthesten, welche westlich vom
europäischen Maximum bei den Azoren und südlich von diesen Inseln lag; eine
Umkehrung der normalen Druckvertheilung, welche ja bekanntlich im November
und Dezember nicht selten ist. Der kräftige Wirbel, welcher am Ende des
vorigen Zeitabschnitts von Norden her bis nahe an Madeira vorgedrungen war,
nahm an den folgenden Tagen, wo ihm ein zweiter Wirbel aus den Tropen
entgegenkam, an Intensität ab, bis am 13.—14., wie es scheint durch Ver
schmelzung dieser beiden, wieder eine starke Depression bei den Azoren sich
ausbildete. Einige Notizen aus den Schiffsjournalen mögen hierüber weitere
Anhaltspunkte geben:
Am 13. Dezember. S. 34 (35° N, 38° W). Wind geht auffrischend stetig aus NE3 in
NNW 9 über, bei langsam fallendem Barometer. — S. 5 (38° N, 31° W). Bis 7 p SE, dann S,
SW, W. — S. 6 (38° N, 28° W). Bis 10 p S, um 12 p W 3, bleibt so bis 6 a am 14.
Am 14. Dezember. S. 34 (35° N, 35° W). Gewitter- und Hagelböen, St. Elmsfeuer. —
S. 5 (40° N, 30° W). Um Ob a. m. Wind WSW 7, Bar. 748,5: um 6 a NW 7. — D. 53 (40° N,
27° W). Um 2a Wind SSE 5, um 4a SSW 6, um 6a SW 6, um 8a NW 7 und um 10p NNW 9;
niedrigster Luftdruck = 744,4 um 4 a.
Am 16. Dezember. S. 5 (42° N, 26° W). Um 2 a Wind SSE 5, um 2 p E 9 und um 12 p
SSE 8. — S. 53 (32° N, 20° W). Um 0 h a. m. Bar. 753,3, Wind SSE 10, stürmische Gewitterböen.
Am 17. Dezember. S. 49 (35° N, 21° W). Mittags wurde eine grofse Wasserhose ge
sehen. — S. 41 (35° N, 11° W). Abends bei heftigem Gewitter St. Elmsfeuer.
Am 18. Dezember. D. 23. Sahen eine Wasserhose.
Am 19. Dezember. S. 8 (41° N, 57° W). Um 8 a Wind umlaufend nach SW 8.
Schon am 17. Dezember wurde diese Depression bei den Azoren zum
Theilminimum einer mächtigen, von der Davisstrafse ostwärts ziehenden, und
als solches entfernte sie sich, rasch sich ausgleichend, über die Britischen
Inseln nach der Ostsee. Ihre Stelle nahm ein von jenseits des Mississippi heran
gezogenes Maximum ein, dessen Aufenthalt vor dem Kanal den folgenden Zeit
abschnitt vom 21. —31. Dezember auszeichnet; gegen Ende desselben wurde
es durch ein neues, wiederum vom Felsengebirge gekommenes, in dieser Gegend
abgelöst und verschwand. An der Ostseite dieses Maximums bildete sich, aus
einem Rest derselben Furche niederen Luftdrucks, eine schwache Depression
aus, welche sieh nach S und W bewegte und bald ihrerseits den Meerestheil
südlich der Azoren erreichte, jedoch ohne erhebliche Entwickelung blieb (vgl.
die Karte III).