52 Die Schwankungen des Wasserstandes in ihrer Beziehung zur Witterung,
der Gletscher wissen, Der Periode des Vorstofsens der Gletscher der Alpen
im Beginn des Jahrhunderts entspricht eine Zeit des Steigens und des hohen
Standes des Kaspischen Meeres. Der zweiten Periode des Vorrückens der
Gletscher Ende der 40er Jahre läuft auch ein Anschwellen des Kaspischen
Meeres parallel, und die jüngste, 1866 beginnende Hebung des Kaspi-Niveaus
findet ihr Widerspiel in dem seit Ende der 70er Jahre sich vorbereitenden
Gletschervorstofßs. Es erscheint die Bewegung der Gletscher um einige Jahre
gegen die Bewegung des Spiegels im Kaspischen Meer verschoben, derart, dafs
die erstere hinter der letzteren nachhinkt. Was Swarowsky für die Gletscher
der Ostalpen und den abflufslosen Neusiedler Soe dargethan hat,!) begegnet
ans, nur noch in viel grofsartigerem Mafsstab, am Kaspischen Meer, Beide Phä-
nomene, Gletscherschwankungen, wie Schwankungen der abflufslosen Seen, führen
sich auf die gleiche Ursache zurück, auf säkulare Schwankungen der Witterung,
auf Klimaschwankungen.
Die Witterung wirkt auf den Stand der abflulslosen Gewässer, indem sie
die Zufuhr und die Abfuhr von Wasser regelt. KEs fehlen mir hier für das
Gebiet des Kaspischen Meeres langjährige Beobachtungen an Flufspegeln, aus
denen man direkt eine Schwankung der Wasserführung der Flüsse erkennen
könnte, und ich mufe, um auf jene Schwankungen schliefsen zu können, zu den
Niederschlagsbeobachtungen greifen.”) St. Petersburg im Nordwesten Russlands,
Lugan im Süden, Bogoslowsk im Ural und Tiflis im Kaukasus sollen uns die
verschiedenen Theile des Einzugsgebietes des Kaspischen Meeres repräsentiren.
Wenn sie auch zum Theil an dessen Grenzen, ja sogar jenseits derselben liegen,
so dürfen wir sie doch zu unserer Untersuchung heranzichen, weil erfahrungs-
yemäfßs Abweichungen der Jahroswitterung sich immer über sehr weite Gebiete
aratrecken,
1841/45 1846/50 1851/55 1856/60 1861,65 1866/70 1871/75 1876/80
= St. Petersburg mm 4852 436 369 350* 443 603 517 518
s fzugan mm 385 287 352 311 280* 379 384 467
& 4 Tiflis + mm — 22 454 452 465 30 448 520
E | Bogoslowsk mm 387 452 412 384 320 282* 483 466
(Mittel 0% 103 99 94 88* 88 105 108 117
Wasserstand, Kaspisches Meer cm — — —21 —26* —19 19 16 56
Ueberall finden wir eine Verminderung des Regenfalls vom Ende der
40er und Anfang der 50er Jahre gegen die 60er Jahre hin und von hier an
wieder eine erhebliche Vermehrung desselben. Diese Bewegung der Nieder-
schlagsverhältnisse im Einzugsgebiet des Kaspischen Meeres tritt uns noch
deutlicher entgegen, wenn wir jene Lustrepmittel der einzelnen Stationen in
Procenten des Mittels 1841—1880 ausdrücken und aus diesen Procenten all-
zemeine Lustrenmittel für das ganze Gebiet ableiten. Vergleichen wir diese
Zahlenreihe, sowie ihre graphische Darstellung in Figur 2, Seite 65 (1 mm = 5°%)
mit derjenigen, welche uns die Schwankung des Kaspischen Meeres darstellt,
so kann ein Zweifel nicht bestehen, dafs die letztere durch Schwankungen des
Niederschlages veranlafst ist.
Von besonderem Interesse erscheint die Erkenntnifs der Ursachen, welche
die säkularen Schwankungen der Ostsee regeln, waren doch hier der die
Jahresperiode beherrschenden Faktoren so viele, Jene Resultate, die wir am
Kaspischen Meer gewounen haben, geben uns Veranlassung, sofort zu einem
Vergleich der Schwankungen der Ostsee und derjenigen der Wasserführung
ihrer Zuflüsse zu schreiten. Es treten auch an den Flüssen Mitteleuropas lang-
jährige Schwankungen des Wasserstandes auf, welche direkt auf Schwankungeu
ihrer Wassermengen zu schliefsen gestatten. Auffallend ist, dal dieselben als
solche noch nicht genügend gewürdigt worden sind, wenn auch Hagen?) und
1) XI. Bericht des Vereins der Geographen an der Universität Wien, 1886.
2) Die mir nachträglich zugänglich gewordenen Pegelbeobachtungen an der Wolga zu
Astrachan stehen mit den folgenden Ausführungen in bestem KXinklang.
3) Wasserstände preufsischer Ströme. Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissen-
schaften 1880.