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Die Schwankungen des Wasserstandes in ihrer Beziehung zur Witterung.
gleichmäfsig genug, dafs uns eine Station als Repräsentant des ganzen Meeres
angenähert dienen kann. Ich habe hierzu Swinemünde gewählt, da für diese
Station ein durch Seibt trefflich bearbeitetes, absolut zuverlässiges Material
vorliegt.!) Ich gebe kein Generalmittel, sondern drei zehnjährige Mittel für
die Decennien 1855/64, 1865/74 und 1875/84. Es ist, wie Seibt hervorhebt, sehr
bemerkenswerth, dafs diese drei Decennien drei recht verschiedene Jahreskurven
ergeben: dem Mittel 1855/64 fehlt das Novembermaximum ganz, das 1865/74
gröfseres Gewicht als das Augustmaximum besitzt und abgeschwächt auch
1875/84 auftritt.
Diese bedeutende Aenderung von Decennium zu Decennium weist schon
darauf hin, dafs die Jahresperiode des Wasserstandes in der Ostsee durch das
Ineinandergreifen verschiedener Faktoren entsteht, von denen bald der eine,
bald der andere ein Uebergewicht gewinnt.
Ostsee bei Swinemünde (mm).
Jan. Febr. März Aprıl Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
1855--64 13 2 —38 —25 —48 —33 86 111 57 3 —45 —74*
1865—74 —38 —56 —67 —72*-—29 25 54 54 34 —30 87 85
1875—84 —16 —28 —13 —86*-—71 82 62 6& 4 —2 17 —122
Oder bei Küstrin?) (cm).
1807—35 15 39 7 50 210 —22 —23 —35 —32 —40* —28 —10
Glommen‘?) (cm).
1862—76 —99 —114 —123* —78 78 226 119 544 4 12 —65 —94
Ein Vergleich der jährlichen Schwankung des Ostseespiegels mit der-
jenigen des Wasserstandes der grofsen deutschen Ströme, in der Tabelle oben
repräsentirt durch die Oder, lehrt, dafs die Wasserführung der letzteren nur
eine sehr untergeordnete Rolle spielen kann: dort, wo wir in der Ostsee das
Minimum des Wasserstandes treffen, fällt das Maximum der Wasserführung der
Flüsse hin. Einem ganz anderen Regime folgen die skandinavischen Flüsse,
welche durch den Glommen vertreten sind, Ihr sommerliches Maximum mag
von Einflufs auf das fast gleichzeitige Maximum der Ostsee sein, wenn dasselbe
auch keineswegs ganz auf jene Flüsse zurückgeführt werden darf. Eine erheb-
liche Rolle spielt wohl auch die jährliche Periode des auf den Spiegel der
Ostsee fallenden und unmittelbar die Wassermasse vergröfsernden Nieder-
schlages mit ihrem sommerlichen Maximum.
Gerade für den hohen Wasserstand des Sommers erscheint ein fernerer
Faktor nicht ohne Bedeutung, die thermische Ausdehnung des Ostseewassers
bei seiner Erwärmung von der Winter- auf die Sommertemperatur. Durch
dieselbe erfährt die Östsee die nicht unbeträchtliche Volumvergröfserung um
30 cbkm, welche einer Erhöhung des Spiegels um Scm gleichkommt. Nicht zu
vergessen ist freilich, dafs auch die Verdunstung gegen den Sommer hin sich
steigert und dadurch diese Vergröfserung des Wasservolums durch Ausdehnung,
zum Theil durch die Verminderung der Wassermasse kompensirt werden mufs,
Allein alle die oben genannten Phänomene vermögen nicht das Frübhjahr-
minimum zu erklären, dessen Existenz doch wohl mit den um die Zeit seines
Auftretens herrschenden Ost- und Nordostwinden in Zusammenhang zu bringen
sein dürfte. Ebenso mag auch der hohe Wasserstand des Sommers zum Theil
auf Rechnung der in dieser Jahreszeit ihre gröfste Beständigkeit erreichenden
Westwinde zu setzen sein. Jene treiben Wasser aus der Ostsee heraus, letztere
in die Ostsee hinein.
So ist es denn eine Fülle von Erscheinungen, welche ohne Zweifel alle
auf die jährliche Periode des Wasserstandes der Ostsec wirken; allein deren
Einflüsse quantitativ gegeneinander abzuschätzen, vermögen wir zur Zeit noch
nicht. Anders verhält es sich mit dor Aenderung des Wasserstandes von
Jahr zu Jahr.
!) Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde. Berlin 1881. | . .
?) Nach Wex, über die Wasserabnahme in den Quellen, Flüssen und Strömen; Zeitschrift
des österr. Ingenieur- und Architekten-Vereins 1879.