Vierteljahrs-Wetter-Rundschau der Deutschen Seewarte,
409
Erfolg befahren worden ist. „Port Royal“ gebrauchte, um‘ von 10° nach
70° W-Lg zu gelangen, nur 22 Tage und vollendete die Fahrt von Lizard
bis zum Kap Henry in 24 Tagen. „Hedwig“, das vorletzte Schiff dieser
Gruppe, schlug wegen in der Nordsee angetroffener südwestlicher Winde die
im Spätherbst wenig empfehlenswerthe Route Nord um Schottland ein. Es traf
auf derselben zwar anfänglich auch ziemlich günstige Verhältnisse an, nachdem
man aber bis zum 16. Oktober nach 55° N-Br in 30° W-Lg vorgerückt war,
setzten anhaltende stürmische Gegenwinde ein, welche eine Folge grofser, süd-
lich von Grönland erscheinender Depressionen waren. Es konnten dann während
der nächsten acht Tage kaum zwei Längengrade gut gemacht werden. Selbst
nach Süden hin zu gelangen war, da die von heftig stürmenden Winden um-
kreisten Depressionen, an deren Südseite „Hedwig“ sich befand, auch während
der folgenden Zeit rasch aufeinander folgten, sehr schwierig. Als das allmählich
doch nach Süden gedrängte Schiff sich am 17. November in 36° N-Br und
50° W-Lg’ befand, waren nicht weniger als 32 Tage seit der Ueberschreitung
des Meridians von 30° West verflossen. Südlich vom Golfstrom konnte der
letzte Theil der Reise in günstigerer Weise vollendet werden, bis endlich am
30, November New-York erreicht wurde. Während „Hedwig“ diese so überaus
beschwerliche Reise ausführte, legte der vom Mittelmeere herkommende Mit-
segler „Doris“ auf der Passatroute eine überaus günstige und bequeme Reise
zurück. Als dieses Schiff die Strafse von Gibraltar verliefs, hatte das kurze
Zeit vorher sich im östlichen Theile des Atlantic bildende, sich in der un-
gewöhnlichen Süd—Nord-Richtung bis nach Island hinauf erstreckende Gebiet
hohen Luftdrucks sich ostwärts über Europa hin vergröfsert. (Siehe Karte IV.)
Begünstigt von den an der Südseite dieses Maximums wehenden, freilich nicht
sehr frischen und beständigen Winden, steuerte „Doris“ für den Passat. Zur
Zeit, als derselbe am 24. Oktober in 32° N-Br und 20° W-Lg erreicht wurde,
befand sich der Mitsegler „Hedwig“ in 51° N-Br und 31,5° W-Lg. Dieses
Schiff kämpfte gegen die an der Nordseite eines inmitten des Oceans gelegenen
weiten Gebietes hohen Luftdruckes wehenden harten Westwinde, während bei
jenem Schiffe die nördlichen, zum Passat werdenden Winde der Ostseite des
Maximums herrschten. (Siehe Karte V.) Als „Doris“ am 8. November nach
23° N-Br in 61° W-Lg gelangt war, befand sich „Hedwig“ noch in 42,8° N-Br
und 38,8° W-Lg. Die zwischen 20° und 70° W-Lg liegende Strecke legte
jenes Schiff in 21 Tagen zurück. Am 22. November, nach 37tägiger, fast von
keinem Sturme beunruhigter Fahrt, erreichte „Doris“ den Delaware.
Von den Reisen der in der letzten Gruppe der Tabelle enthaltenen Schiffe
können hier nur die Reisen des „Felix Mendelssohn“ und des „J. W. Gildemeister“
besprochen werden. Nur ihre Reisen fallen zum gröfseren Theil noch in das
hier zur Besprechung vorliegende Vierteljahr, während die Fahrten der übrigen
Schiffe schon dem folgenden Quartal angehören. Die 70 Tage dauernde Reise
des „Felix Mendelssohn“ ist die längste von allen, welche in diesem Herbste
ausgeführt wurden. Es scheint dieses schlechte Ergebnifs jedoch weniger eine
Folge ungünstiger Verhältnisse, als das Resultat geringer Segelfähigkeit zu sein,
denn gleichzeitig, während „Felix Mendelssohn“ auf dieser langen Fahrt begriffen
war, vollendete „J, W. Gildemeister“ auf derselben Route die Reise nach New-
York.in 30 Tagen. Als dieses letztere Schiff am 3. November den Kanal ver-
ließ, befand sich „Felix Mendelssohn“ schon in 47,4° N-Br und 22,7° W-Lg.
Am 17. November stand jenes Schiff in 45,8° N-Br und 35,2° W-Lg, dieses in
44° N-Br und 35,6° W-Lg, und als der „J. W. Gildemeister“ am 4. Dezember
bei Staten Island ankerte, war der Mitsegler noch in 40° N-Br und 58° W-Lg.
Die Reise des „J, W. Gildemeister“ war im Vergleich zu anderen, früher im
Vierteljahr ausgeführten. keine sehr stürmische gewesen.
2. Reisen von West nach Ost.
Entsprechend den in diesem Vierteljahre im mittleren Theile des Atlantic
vorherrschenden Westwinden, fiel es damals den nach Osten bestimmten Schiffen
nicht schwer, einigermafsen gute Reisen über den Ocean zu machen, Dieselben
verliefen im Vergleich zu den gleichzeitig nach Westen ausgeführten verhältnifs-
mäfsig ruhig, wenn auch einige Schiffe, wie „Anna“ und „Hermann Friedrich“.