308
Nordstürme an der deutschen Ostseeküste.
heilung heraus, nämlich eine Furche niedrigen Luftdruckes, mit drei Depressions-
gentren, von denen das Sturmcentrum das mittlere ist.
Während nun am 10. im Nordosten Europas zwar strenge Kälte herrscht,
verläuft die Nullisotherme im Allgemeinen den 58. Breitengrad entlang bis zum
Busen von Riga, von dem aus sie eine südöstliche Richtung annimmt, südlich
son dem genannten Parallelkreise ist dabei die Temperaturvertheilung eine
ziemlich gleichmäfsige. "Theils infolge der nördlichen Luftströmung, theils infolge
des über Nacht eintretenden klaren Wetters nimmt bis zum Morgen des 11.
ganz besonders über Centraleuropa die Temperatur stark ab und sinkt über
Deutschland mit Ausnahme des äufsersten Südwostens unter den Gefrierpunkt;
auch über Nordschottland tritt Frost ein.
Im Laufe des 11. nimmt über ganz Centraleuropa nach Süden bis zum
Mittelmeere und der Adria hin der Luftdruck beträchtlich ab, so dafs in der
weiteren Folge nach der bald eintretenden Auflösung der am westlichsten über
dem Kanal liegenden Depression jene besprochene charakteristische Furche
niedrigen Luftdruckes bestehen bleibt.
Mit dem 11. Abends erreicht nun jenes Luftdruckminimum, welches als-
dann die Stürme in Begleitung hat, die südöstliche Nordsee. An der west-
deutschen Küste nehmen daher am Nachmittag die Winde eine entschieden
südwestliche Richtung an, bleiben jedoch noch von geringer Stärke; am West-
ausgange des Liim Fjords setzt dagegen gegen Abend bereits ein stärkerer
östlicher Wind ein.
In der Nacht zum 12. überschreitet nun das Centrum dieser atmosphärischen
Störung die jütische Halbinsel in südöstlicher Richtung. und zwar nimmt es
seinen Weg zwischen dem dänischen Grenzorte Wandrup und der Insel Sylt,
jedoch näher an dem ersteren Orte vorüber, wie die stündlichen Aufzeichnungen
an diesen Beobachtungsstationen zeigen.
Um 8 Uhr Morgens am 12. wird das Minimum des Luftdruckes in der
Gegend zwischen Apenrade und Flensburg anzunehmen sein; die Isobaren, welche
den niedrigsten Luftdruck umgeben, haben dabei eine sehr langgestreckte Form,
deren gröfste Axe von Westsüdwest nach Ostnordost gerichtet ist. Es herrschen
zu dieser Zeit auf der nördlichen Seite des Minimums bis zur schwedischen
Küste des Kattegat stürmische östliche und nordöstliche Winde, auf der West-
seite wehen starke nördliche Winde, und auch die südwestlichen Winde
auf der Südseite der Depression sind in näherer Umgebung des Luftdruck-
minimums frisch bis stark; doch findet bei dem weiteren Fortschreiten
des Phänomens an den Stationen der deutschen Küste vor dem Umspringen
des Windes in nördliche Richtung stets ein starkes und schnelles Abflauen
statt, wie die Tabelle II der stündlichen Windgeschwindigkeiten zeigt. Jo
weiter aber der Beobachtungsort nach Osten zu gelegen ist, um so schwächer
sind die dem Nordsturm vorangehenden südwestlichen Winde, und schon
in Swinemünde sind dieselben sehr flau. Es dürfte dieser Umstand in
Zusammenhang mit der Bildung eines zweiten Luftdruckminimums stehen, welches
sich bereits am 12, Morgens durch die Richtung der Winde in der Neustädter
Bucht andeutet. Dieses zweite Minimum geht in geringer Entfernung dem
ersteren und intensiveren ostwärts voran, und verhindert So in der Folge das
Auftreten stärkerer Winde auf der Vorderseite des Hauptminimums.
Es tritt dies besonders auf dem beigegebenen Kärtchen hervor, welches
die Wind- und Luftdruckverhältnisse am Abend des 12. März 1887 über der süd-
lichen Ostsee darstellt. Während über Rügen ein schwerer Nordoststurm tobt,
weht in der Swinemünder Bucht noch ein schwacher West. KEigenartig gestalten
sich die begleitenden Umstände an der hinterpommerschen Küste; bei schwachem
vom Lande her wehendem Südwest steht daselbst bereits am späteren Nach-
mittage des 12. März eine grobe See und beginnt das Wasser zu steigen. Es
ist die Folge des am Nachmittage schon in nicht sehr grofser Entfernung von
dieser Küste über dem nördlicheren Gebiete dieses Theiles der Ostsee wehen-
den Nordoststurmes, welcher einerseits das Wasser nach Süden zu gegen die
genannten Küsten hintreibt und andererseits gerade wegen der geringen Stärke
der Landwinde durch diese keine Gegenwirkung erfährt.
In einiger Entfernung vom eigentlichen Minimum des Luftdruckes und
zwar sowohl im Süden als auch im Norden von demselben ist die Steigerung