Der Einfluls der Sonne und des Mondes auf den Erdmagnetismus etc.
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Erde keine Atmosphäre besäfse, die Temperatur ihrer Oberfläche nur um diese
Anzahl Grade über diejenige des Weltraumes sich erheben würde,!) also
mindestens —100° C. betrüge. Ist dieser Satz richtig, so folgt daraus unmittel-
bar, dafs die Temperatur der Mondoberfläche wegen der mangelnden Atmosphäre
sehr niedrig sein mufs, und dafs der Temperaturunterschied zwischen der be-
leuchteten und beschatteten Mondoberfläche ‚höchstens 48°C, betragen kann.
Weiter folgt, dafs die Mondrinde bis in gröfsere Tiefen konstant gefroren sein
mufs, wobei es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob diese weit unter 0°
erkaltete Schicht aus reinem Eise oder aus gefrorenen mineralischen Bestand-
theilen (analog dem unterirdischen sibirischen Eisboden) besteht.
Dies festgestellt, bedarf es nur des Hinweises auf die eingangs hervor-
gehobene Abhängigkeit der täglichen Variation der erdmagnetischen Elemente
vom Stande der Sonne und auf den Zusammenhang zwischen dem täglichen
Gange dieser Elemente und den elektrischen Strömen innerhalb gröfserer
zusammenhängender Eisflächen, um die Entstehung elektrischer Ströme innerhalb
der Mondrinde zu begreifen, Wir dürfen also mit Recht annehmen, dafs in der
Eisrinde des Mondes als einer sehr leitungsfähigen Substanz durch die
Sonnenstrahlen in ähnlicher Weise, aber. stärkerem Grade wie auf der Erde,
lebhafte galvanische Ströme gesetzmäfsig inducirt werden, die denselben um-
kreisen. Diese Ströme müssen aber wieder auf die Erdströme inducirend wirken,
d. .h. sie je nach der Stellung des Mondes verstärken oder schwächen, in der
Weise, dafs nach jedem Durchgange desselben durch den Meridian eines Erd-
ortes sowohl an diesem Orte als an jenem um 180° abstehenden ein Maximum,
an den beiden. zwischenliegenden Punkten aber je ein Minimum auftritt, Die
beiden Maxima müssen bei allen drei Komponenten des Erdmagnetismus durch-
schnittlich um ca 12 Stunden von einander getrennt auftreten; sie müssen ferner
eine gewisse Zeit nach der oberen oder unteren Kulmination des Mondes ein-
treten (siehe oben Satz 2). Es besteht also eine merkwürdige Analogie mit
dem Fluthphänomen. Kine weitere Analogie mit den sogenannten magnetischen
Störungen besteht darin, dafs, wenn von einem bestimmten Orte der Erde eine
starke Störungsschwankung, etwa infolge eines Erdbebens, stattfindet, dieselbe
nach Ost und nach West hin, aber mit abnehmender Stärke auftritt, dafs 90°
östlich und 90° westlich von dem Orte des Maximums der Störung in demselben
Momente keine oder nur eine unbedeutende Schwankung beobachtet wird,
während auf der anderen Hälfte des Parallels die gleichzeitigen Störungs-
schwankungen eine entgegengesetzte Richtung haben, so dafs sich ein östliches
Maximum 180° von dem Punkte entfernt zeigt, wo gerade das westliche Maximum
auftritt. (Einen ganz ähnlichen Verlauf nehmen auch die Störungsschwankungen
der elektrischen Ströme in der Höhe der Atmosphäre infolge der Sonnen-
strahlung.) Man kaun also die Wirkung des Mondes als eine kleine, jeden Tag
(genauer 24 50") regelmäfsig sich wiederholende Störung betrachten, die rund
um die Erde läuft und in Betreff der Zeit ihres Auftretens von dem Durch-
gange des Mondes durch den Meridian abhängig ist. Auf diese Weise erklärt
sich auch die gleiche Gröfse der beiden Maxima und der beiden Minima
und das gleiche Zeichen,
; Da jeder Punkt der Mondoberfläche 14 Tage lang dauernd Tag und
ebenso lang Nacht hat, so müssen die durch die Sonnenstrahlung in seiner
gefrorenen Rinde indueirten elektrischen Ströme eine 14tägige Periode zeigen,
die sich als halbmonatliche Ungleichheit in den Variationen des Erd-
magnetismus wiederspiegeln mufs. Die Airy’schen Zahlenreihen, mit dem Mond-
umlaufe zusammengestellt, lassen auch eine Zu- und Abnahme erkennen, und
Broun zeigt, dafs die während eines Mondtages stattfindende Variation der
Deklination sich in Zeiträumen von Viertel-Lunationen wiederholt und zu. be-
stimmten Zeiten zu Trevandrum (Ostindien) denselben Betrag erreicht, wie die
durch die Sonne hervorgerufene Variation, d. h. an einzelnen Tagen bis auf 5’
steigt. Die Aenderungen in der Entfernung des Mondes von der Erde sind
wohl zu gering, um wesentlichen Einflufs ausüben zu können, dagegen ändert
sich die Höhe des Mondes über dem Horizont eines Ortes im Laufe des Jahres
ziemlich beträchtlich, so dafs hierdurch eine Zu- und Abnahme in den durch
1) Naturforscher XX, p. 109 (1887).