Der Einflufs: der Sonne und des Mondes auf den Erdmagnetismus etc. 207
der Sonne durch den Meridian infolge der jetzt gleichmäfsigeren Erwärmung
und Bestrahlung der entsprechenden Tageshälfte der Erde eine Verminderung
erleidet, die mit dem Untergang der Sonne wieder in eine Verstärkung über-
geht. Die Stromverstärkung tritt also dort auf, wo die Differenz der Be-
Teuchtung am größten ist, d. h. dort, wo die Sonne auf- resp. untergeht, nach
Analogie mit den thermoelektrischen Strömen, ‘ Hat nämlich die Sonne den
Meridian eines Ortes eben überschritten, findet also auf der Tagseite die gröfste
Beleuchtungsintensität statt, so befindet sich auch die obere Atmosphäre im
Zustande der gröfsten Leitungsfähigkeit, da diese, wie wir eben gesehen, von
dem Grade der Beleuchtung abhängig ist. Zugleich ist aber auch die Zeit der
stärksten Elektricitätsentwickelung in den Eisnadelschichten eingetreten, die in
dem Punkte stattfindet, der die Sonne im Zenith hat. Von dem Orte der
gröfsten Beleuchtungsintensität und des gröfsten Potentials strömt nun die Elek-
frieität infolge des erleichterten Abflusses nach allen Seiten, nach Ost und West,
Nord und Süd, nach der Beleuchtungsgrenze hin, so dafs dort die Dichte der
Elektricität zunimmt. Diese gröfßsere elektrische Dichte tritt zwar nicht genau
an der Beleuchtungsgrenze auf, sondern etwas diesseits und jenseits derselben,
dA. h. im Osten auf der Tagseite, der Ortszeit 8*-—10" a. m. (je nach der Jahres-
zeit) entsprechend, im Westen auf der Nachtseite, der Ortszeit 8*—10* p. m,
entsprechend. Auf der Nachtseite flielst der Strom langsamer, wird aber bei
Tagesanbruch beschleunigt, so dafs an den Orten zwischen 8*a, m, bis 10" a, ın.
Ortszeit infolge des beschleunigten Zuströmens von Osten und Westen her eine
gröfsere elektrische Dichte herrscht, als an denjenigen Orten, wo die Sonne im
mittäglichen oder mitternächtlichen Meridian, resp. 1—2 Stunden darüber hinaus
steht. Dieselbe Dichte entwickelt sich etwas jenseits der westlichen Beleuchtungs-
grenze wegen des beschleunigten nachmittäglichen Zuflusses von Osten her und
des verzögerten Abflusses auf der Nachtseite. Wegen der durch die Bestrahlung
bewirkten gröfseren Leitungsfähigkeit der Luft auf der Tagseite der Erde kann
also kein stationärer elektrischer Zustand bestehen bleiben, indem das elektrische
Gleichgewicht stets gestört wird, es mufs also eine Elektricitätsströmung sich ent-
wickeln mit je zwei Stellen größerer Stromstärke und je zwei solchen schwächerer
Stromstärke.!) Alle leitenden Körper innerhalb der Atmosphäre werden nun durch
Induktion elektrisirt, und zwar mehr oder weniger energisch, je nach dem Ab-
stande von dieser oberen elektrischen Schicht und dem Grade der Elektrisirung
derselben, so dafs auch in den unteren Schichten zwei Maxima und zwei Minima
entstehen, die der Zeit nach mit den beiden Maxima und Minima der höheren
Schicht nahe zusammenfallen. Wie sehr die hohen Cirruswolken auf den elek-
trischen Zustand der Luft einwirken können, geht aus den Beobachtungen am
Kap Horn im Jahre 1883?) hervor; dort fand Lephay, dafs sehr hoch
gehende Cirro-cumuli bei ihrem Vorübergang die positive Spannung der
Luft bis auf 400 Volt hoben.
Schon Forster®) führte alle Modifikationen der Wolken auf verschiedene
elektrische Zustände der Atmosphäre zurück und sah den Cirrus als einen
) Da die Beleuchtungsverhältnisse der Erde nur in Bezug auf die Ekliptik und deren Pole
symmetrisch sind, so müssen die Stromlinien, besonders innerhalb der heifsen Zone, parallel
mit der Ebene der Ekliptik verlaufen, und zwar um so mehr, als auch die mit dem magnetischen
Aequator, d.h. mit der Ebene der Ekliptik, nahe parallel laufenden Erdströme die atmosphärischen
Ströme mit sich parallel zw stellen suchen. Dafls die Richtung Ost—West, die in unserem Falle
auf die Ekliptik zu beziehen ist, besonders innerhalb der Tropen überwiegt, geht auch daraus hervor,
dafs nach Prof. C. 0. Walker in den Telegraphenlinien Ostindiens sich der Strom Vormittags von
E nach W, Nachmittags von W nach E bewegt, dafs also in der Erde, wo der Strom in der ent-
gegengesetzten Richtung fliefst, derselbe sich Vormittags von W nach E, Nachmittags von E nach W
bewegt, genau so wie in der Höhe der Atmosphäre auf der Tagseite. Die Strombewegung in der
Höhe ist also analog derjenigen in dem festen Erdboden und wird auch durch dieselbe Ursache, die
Bestrahlung des Bodens, bedingt. Prof. Walker weist ferner darauf hin, dafs die Stromrichtung
in den Linien öfter sich plötzlich umkehrt, dafs zwei Punkte derselben Linie in Bezug auf eine im
E oder W gelegene Station verschiedene Potentiale haben können, dafs ein allgemeiner Regen das
Potential schwächt, und schliefst aus alle dem, dafs es nicht die magnetische Kraft der Erde sei,
wodurch diese Ströme erzeugt werden (Ciel et Terre, 1887, p. 401). Alle diese Stromschwankungen
verdanken der verschiedenen Bestrahlung ihre Entstehung; eine gröfsere Wolkendecke, die sich über
einer Gegend bildet und nur kurze Zeit Bestand hat, kann schon diese Stromumkehrungen und
Schwankungen der Potentialwerthe verursachen,
2) Mission scientifique du cap Horn, Paris 1884.
3) Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie, Band II, paz. 570.