Der Einflufs der Sonne und des Mondes auf den Erdmagnetismus etc. U "9205
dem Schlaf, dafs auf der Sonne gewaltige elektrische Prozesse statthaben
müssen, und dafs die Fackeln und Protuberanzen eine Art von Analogon zu
unseren Polarlichtern bilden,
in dem eingangs angezogenen Artikel wurde aber noch eine andere
Wirkungsart der Sonne auf den Erdmagnetismus hervorgehoben, nämlich die
direkte Wirkung der Sonnenstrahlen. Es wurde nachzuweisen versucht, dafs
die Sonnenstrahlen im Erdboden und besonders in gröfseren Eisflächen galva-
nische Ströme induciren, die, auf die tiefer liegenden Erdströme einwirkend, die
täglichen Schwankungen und Unregelmäfsigkeiten im Krdmagnetismus wenigstens
theilweise bedingen (pag. 478—480). ;
Dafs die Sonnenstrahlung von Einfluls sein muls, geht schon daraus her-
vor, dafs die tägliche Amplitude an heiteren Tagen bedeutend größer ist als
an trüben, im Sommer viel gröfser als im Winter (z. B. in Wien für Dekl.:
Sommer 10,6%, Winter 5,1‘), dafs der Eintritt der Maxima und Minima, der Zeit
des Sonnen-Aufganges und Unterganges im Laufe des Jahres folgend, sich stetig
verschiebt und dafs während Sonnenfinsternissen eine entschiedene Aenderung
im magnetischen Zustande der Erde eintritt. Diese Wirkung der Sonnenstrahlen
erstreckt sich aber nicht blofs auf den festen Erdboder, sondern auch auf die
höheren Schichten der Atmosphäre, und bedingt nicht allein den täglichen
Gang der erdmagnetischen Elemente, sondern auch denjenigen des Luftdruckes
und der Luftelektrieität, Zum Beweise dieses wichtigen Satzes sei auf die
folgende Reihe von Thatsachen hingewiesen.
Vergleicht man die tägliche Periode des Luftdruckes, der atmosphärischen
Elektrieität und der Deklination mit einander, so stellt sich eine merkwürdige
Uebereinstimmung in den respektiven Gängen dieser drei Erscheinungen heraus;
nicht allein fallen die Extreme im Allgemeinen fast genau auf dieselben Tages-
zeiten, sondern die in den einzelnen Jahreszeiten eintretenden Verschiebungen
dieser Extreme befolgen auch dasselbe Gesetz. So nähern sich beim Luftdruck
die Termine der Maxima und Minima im Winter dem Mittage und entfernen
sich im Sommer von demselben; dasselbe gilt von der Luftelektricität und der
magnetischen Deklination. Die Identität des Ganges des Luftdruckes und der
Luftelektricität ist nach den Untersuchungen des Prof. Ragona in Modena eine
so vollständige, dafs sich ein Kausalnexus zwischen beiden Erscheinungen nicht
abweisen läfst; andererseits finden aber auch Abweichungen statt, die gegen
den inneren Zusammenhang der fraglichen drei Erscheinungen zu sprechen
scheinen. So weist z. B. Prof. Neumayer darauf hin, dafs die Schwankung
der Luftelektrieität in der warmen Jahreszeit kleiner ist als in der kalten,
während es sich beim Luftdruck gerade umgekehrt verhält; ferner ist die täg-
liche Osecillation des Luftdruckes am gröfsten in den Tropen und vermindert
sich mit zunehmender Breite, während bei der Deklination wieder das um-
gekehrte Verhältnifs zutrifft. Diese Widersprüche verschwinden aber bei rich-
tiger Auffassung der Verhältnisse und beweisen gerade den inneren Zusammen-
hang der obigen Erscheinungen, wie nun gezeigt werden soll.
Es ist allgemein bekannt, dafs schon mehrere Stunden (oft 10—12 Stun-
den) vor dem Auftreten eines Nordlichts eine frei aufgehängte Magnetnadel in
Unruhe versetzt wird, je nach der Stärke des oft Hunderte von Kilometern
von dem Orte der Nadel auftretenden Nordlichts mehr oder weniger grofse
Schwingungen macht und mit fast mathematischer Sicherheit das spätere Er-
scheinen desselben anzeigt, Es ist ebenso bekannt, dafs das Nordlicht eine
elektrische Erscheinung ist, hervorgerufen durch elektrische Ströme, die auf die
galvanischen Erdströme einwirken und dadurch die unregelmäfsigen Schwingungen
der Magnetnadel verursachen. Die elektrischen Ströme in den höheren Schichten
der Atmosphäre sind an das massenhafte Auftreten von Eisnadeln gebunden,
die das Substrat bilden, an dem sich die elektrischen Ströme zeigen. Man
beobachtet oft schon am Tage ganz dieselbe Anordnung der Cirrusstreifen, die
sich Nachts während des Nordlichts zeigt, und die Unruhe der Magnetnadel
am Tage deutet darauf hin, dals auch schon während des Tages in der Atmo-
sphäre starke elektrische Ströme existiren, die erst in der Nacht als elektrisches
Licht sichtbar werden. Die von Humboldt in den Tropen viel häufiger als
in der gemäfsigten und kalten Zone beobachteten Polarstreifen, ihre Anordnung
und Bewegungsrichtung weisen entschieden auf weitverbreitete elektrische Pro-